Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) warnt Entscheidungsträger in Brüssel und Berlin, bei den anstehenden Verhandlungen über strengere EU-Klimaziele an die Unternehmen zu denken.
Der Verband skizziert die Folgen strengerer Klimaziele für die deutsche Wirtschaft in einer bisher unveröffentlichten Analyse, über die die "Welt" (Donnerstagausgabe) berichtet. Mehr Tempo auf dem Weg zur Klimaneutralität werde zwangsläufig für schneller steigende Energiepreise sorgen, heißt es darin.
Für viele Unternehmen könnte diese Entwicklung, wenn sie zu schnell geht, existenzbedrohend sein und in die Pleite führen, warnen die Verbandsvertreter. "In einigen Branchen könnten rapide ansteigende Kosten und strengere Vorgaben den bereits laufenden Strukturwandel in einem Maße beschleunigen, welches zu irreparablen Strukturbrüchen führt", schreiben die Autoren.
Die Verfasser haben berechnet, was eine Verschärfung der Klimaziele für besonders betroffene Unternehmen bedeutet, beispielsweise für eine tatsächlich existierende Raffinerie. Bei einem Reduktionsziel von 50 Prozent könnten deren jährliche Kosten für Emissionszertifikate, mit denen der Ausstoß an Klimagasen kompensiert werden kann, um 83 Prozent steigen.
Werde das Klimaziel auf 55 Prozent verschärft, könnten die Kosten sogar um 166 Prozent steigen. "Angesichts dieser Mehrkosten sind wirtschaftliche Chancen nur möglich, wenn die Unternehmen die richtigen Rahmenbedingungen vorfinden", sagte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. Dazu gehöre für die deutsche Wirtschaft ein wirksamer Schutz vor "Verzerrungen" im internationalen Wettbewerb. "Denn mit einer sonst ausgelösten Verlagerung an Standorte mit niedrigeren CO2 Kosten ist niemandem gedient - am wenigsten dem Klimaschutz."
Die Wirtschaftsvertreter fordern auch, dass bei jeder Verschärfung, die Unterstützung der Unternehmen im internationalen Wettbewerb ebenfalls angepasst werden müsse. Dazu gehören etwa die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten, die eigentlich heruntergefahren werden soll, oder die Kompensationszahlungen für stromintensive Unternehmen.
Auch diese Zahlungen will die EU-Kommission einschränken. Die Verfasser mahnen zudem einen schnelleren Umbau der Stromerzeugung in Deutschland an. "Werden die Kohlekapazitäten nicht rechtzeitig durch weniger CO2-intensive Kraftwerke ersetzt, besteht das Risiko einer Versorgungslücke", heißt es in dem Papier, über das die "Welt" berichtet, weiter.
In den kommenden Wochen werden die EU-Mitgliedstaaten, die EU-Kommission und das Europäische Parlament über eine Verschärfung der Klimaziele für 2030 verhandeln. Bisher hat sich die EU verpflichtet, ihren Ausstoß von Klimagasen bis 2030 um 40 Prozent gegenüber den Emissionen von 1990 zu senken. Dieser Wert soll auf 50 bis 55 Prozent angehoben werden. Der genaue Wert ist Gegenstand der Verhandlungen, berichtet die Zeitung.
Foto: Windrad, über dts Nachrichtenagentur