Führt die zweite Corona-Welle zu einer zweiten Abwärtswelle an den Finanzmärkten? Die Zeichen scheinen auf Sturm zu stehen. Wie geht jetzt weiter?
von Sven Weisenhaus
Gestern hatte ich geschrieben, dass es wenig plausibel ist, die Kursverluste vom Montag mit Konjunkturdaten zu begründen, welche auf eine langsamere Wirtschaftserholung hindeuten. Denn derartige Daten gab es auch in der Woche zuvor, was aber nicht zu fallenden Kursen geführt hatte. Und derartige Daten gab es auch heute, wobei die Aktienindizes wieder nicht nachgaben, sondern sogar steigen konnten.
Schwächere Konjunkturdaten, steigende Kurse
Um 9:30 Uhr wurden die Schnellschätzungen zu den Einkaufsmanagerdaten aus Deutschland veröffentlicht. Und diese bestätigen andere Daten, wonach die Erholung der deutschen Wirtschaft von der Corona-Rezession an Tempo verliert.
Der Gesamt-Einkaufsmanagerindex, der die Geschäfte von Industrie und Dienstleistern zusammenfasst, fiel für September um 0,7 auf 53,7 Punkte. Es ist der zweite Rückgang in Folge. Von Reuters befragte Ökonomen hatten mit einem deutlich besseren Wert von 54,1 Zählern gerechnet.
Eigentlich sind das also eher schlechte Nachrichten. Doch immerhin liegt der Frühindikator noch komfortabel oberhalb der Schwelle von 50 Punkten, ab der Wachstum signalisiert wird – und das nun den dritten Monat in Folge.
Und vielleicht ist das auch der Grund, warum der DAX nach Veröffentlichung der Daten von 12.740 auf bis zu 12.830 Punkte weiter zulegen konnte, nachdem er bereits recht stark in den Handel gestartet war. Gegenüber dem Schlusskurs des Vortages von nur rund 12.600 Zählern summierte sich das Kursplus im Tageshoch auf über 1,8 %.
Zweiteilung der Wirtschaft durch steigende Corona-Infektionen
Ein Blick auf die Details zeigt allerdings, dass die wieder steigenden Infektionszahlen erneut Spuren in der Wirtschaft hinterlassen. Denn gerade den Einkaufsmanagern aus dem Dienstleistungsbereich, der auf möglichst uneingeschränkte Freizeitaktivitäten der Menschen angewiesen ist, bereitet die Wiedereinführung von Restriktionen zunehmend Sorgen.
Das entsprechende Stimmungsbarometer für den Service-Sektor fiel um 3,4 auf 49,1 Zähler und signalisiert mit dem zweiten Rückgang in Folge bereits wieder schrumpfende Geschäfte.
Derweil kann das verarbeitende Gewerbe weiter zulegen. Der Industrie-Index kletterte um 4,4 auf 56,6 Punkte und erreichte damit sogar den höchsten Stand seit mehr als zwei Jahren.
Wir erleben also eine Zweiteilung der Wirtschaft. Und wie sich diese fortsetzt, ob die Industrie bald auch wieder von der sinkenden Nachfrage nach Dienstleistungen belastet wird, dürfte von der weiteren Entwicklung der Infektionszahlen abhängen, die es nun wieder genauer zu beobachten gilt.
Erholung der Eurozonen-Wirtschaft kommt fast zum Stillstand
Gleiches gilt für die Wirtschaft der Eurozone. Da in vielen Nachbarländern Deutschlands die Infektionszahlen zum Teil schon wesentlich drastischer gestiegen sind als hierzulande, verwundert es dabei kaum, dass die Einkaufsmanagerdaten für die gesamte Eurozone deutlich schlechter ausgefallen sind als für Deutschland.
Der Gesamt-Einkaufsmanagerindex fiel hier für September um 1,8 auf 50,1 Punkte. Er steht damit nur noch hauchdünn über der Wachstumsschwelle von 50 Punkten.
Der Aufschwung der Wirtschaft in der Eurozone ist damit so gut wie zum Stillstand gekommen. Von Reuters befragte Ökonomen hatten dagegen erwartet, dass das Barometer nur leicht um 0,2 auf 51,7 Zähler nachgeben würde.
Und somit hatten die Experten auch nicht erwartet, dass der Teilindex für den Service-Sektor auf 47,6 Punkte absackt (-2,9 Punkte), während das Barometer für die Industrie um 2,0 auf 53,7 Zähler zulegt und damit den höchsten Stand seit gut zwei Jahren erreicht.
Nur eine Kurserholung in der neuen Abwärtswelle?
Vor dem Hintergrund dieser besorgniserregenden Entwicklungen ist es schon verwunderlich, dass sich der DAX (für Deutschland) und auch der Euro STOXX 50 (für die Eurozone) nach Bekanntgabe der Daten heute noch lange sehr stark präsentieren konnten. Seit dem Tageshoch um ca. 11:20 Uhr geben die Aktienindizes aber bereits wieder deutlich nach.
Und mit Blick auf den folgenden Chart des Euro STOXX 50 zeigt sich, dass es gestern und heute womöglich nach den herben Verlusten vom Montag auch nur zu einer Kurserholung gekommen ist, weil der Index das untere Ende seiner Seitwärtsrange erreicht hat (gelbes Rechteck, grüner Pfeil).
Am 8. September hatte ich zu diesem Chart noch geschrieben, dass innerhalb einer Dreiecksformation (rote und grüne Linie) ein „spannendes Tauziehen zwischen Bullen und Bären“ stattfand. „Zwar nimmt derzeit der Druck auf die untere Linie zu, aber auch diese wurde noch nicht nachhaltig unterschritten, genau wie die Freitags-Tiefs der US-Indizes.
Und solange dies nicht geschieht, ist die Herbstkorrektur gemäß der Analyse vom vergangenen Donnerstag noch nicht gestartet“, hieß es dazu. Mit dem Kursrutsch vom Montag wurde die untere Linie (grün) inzwischen nachhaltig gebrochen. Und demnach wäre die Herbstkorrektur nun gestartet. Bestätigt wird dies, wenn nun auch noch der Bruch der unteren Linie der Seitwärtsrange (gelbes Rechteck) erfolgt.
Sollte dies der Fall sein, dann hätte der Index durch seine Seitwärtstendenz frühzeitig die zum Erliegen kommende Konjunkturerholung in der Eurozone angezeigt. Und mit der neuen Abwärtstendenz könnte der Index dann frühzeitig anzeigen, dass die zweite Corona-Welle nicht nur zu einem erneuten Schrumpfen des Dienstleistungsbereichs, sondern auch zu einem erneuten Rückgang der gesamten Wirtschaftsleistung führt.
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