Warum ignoriert die Börse offensichtlich die aktuellen Horrormeldungen aus Wirtschaft und Gesellschaft? Weiß der Kapitalmarkt mehr als wir? Wird vielleicht doch nicht so heiß gegessen wie gekocht?
DAX 1 Jahr:
von Dr. Victor Heese
Ein kurzer Blick auf die Kursgraphik des DAX lässt uns erstaunen: mit knapp 13.000 Punkten stehen wir heute, Ende September, fast dort wo zu Beginn der Corona-Krise.
In der vorherigen „Neuen Markt- und Finanzkrise“ (Ausbruch 2000 und 2009) hat es wesentlich länger gedauert, bis die alten Vorkrisen-Höchststände wieder erreicht wurden. Aber warum ignoriert die Börse offensichtlich die aktuellen Horrormeldungen aus Wirtschaft und Gesellschaft. Weiß der Kapitalmarkt mehr als wir? Wird vielleicht doch nicht so heiß gegessen wie gekocht? Woran mag die Diskrepanz zwischen der düsteren Erwartung und der helleren Realität noch liegen?
Erfahrung: Die Börse ist ein guter Frühindikator und irrt selten
Die Börse kann laut einer alten Weisheit alle relevanten Wirtschaftsereignisse etwa ein halbes Jahr voraussehen und diese in die Kurse übertragen. Eine solche hellseherische Fähigkeit wird ihr sowohl im Großformat (Konjunktur) als auch im Kleinformat (Einzelaktie) zugesprochen. Wer zuletzt den Kurssturz der Wirecard-Aktie beobachtet hatte, weiß, dass an der zweiten Teilaussage etwas dran ist.
Im Alltag setzt die Börse die harten Fakten (sogenannte Indikatoren) in Kurse um, wie zum Beispiel die hohen Auftragseingangszahlen, die sofort kursrelevant wirken, obwohl sie das Anspringen der Konjunktur erst ankündigen und noch kein Anstieg per se garantieren.
Es gilt daher in der Realität: Erst kommen die Kurse, danach die Nachrichten. Auch wenn viele Laien glauben, es sei umgekehrt und jeder merklichen Kursveränderung eine zeitgleich korrespondierende Wirtschaftsnachricht zugrunde liegen muss. Solche unbedarften Börsianer verfolgen daher den Terminkalender sklavisch.
Feststellung: Der DAX repräsentiert die deutsche Wirtschaft heute schon lange nicht mehr
Vertrauen wir dieser „Erkenntnis“ stehen uns rosige Nach-Corona-Zeiten bevor, wie uns Wirtschaftsminister Peter Altmaier beruhigt. Alles wird gut! Der informierte Skeptiker wird dennoch hinter einer raschen und kräftigen „Erholung“ in dreifacher Hinsicht ein großes Fragezeichen setzen.
Erstens: der DAX-Index steht nur für 35 bis 40 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung (BIP), die bekanntlich vom Mittelstand dominiert wird. Geht es den Großkonzernen prächtig, gilt das nur bedingt für die gesamte Volkswirtschaft.
Zweitens: ausländische Finanzinvestoren „packten“ ab März bei unseren DAX-Aktien zu, als das Börsenbarometer um bis 40 Prozent auf knapp über 8000 Punkte fiel. Dieser Vorgang wird schnell verpuffen.
Drittens: die Bundesbürger verkauften dagegen hysterisch die Dividendenpapiere und flohen wie immer schon in Cash. Sie haben heute noch Angst vor einer Mega-Inflation, wenn sie mitbekommen, wie Regierungen bei der EZB munter Geld drucken lassen, um „Corona-Hilfspakete“ zu finanzieren. Auch dieser Vorgang ist einmalig und verpufft.
Summa summarum: der DAX-Anstieg ist womöglich übertrieben, die Aktien nach Meinung einiger Analysten in der Breite etwa 25 Prozent zu „teuer“.
Prognose: Was folgt ökonomisch, wenn die Börse trotzdem weiter steigen sollte?
Sollte die Konjunktur (BIP) dennoch bald ihr Vor-Corona-Niveau erreichen, bleibt bei weitem nicht alles beim „Alten“. Auch hier sind drei gravierende langfristige Trends klar ersichtlich.
Die dazu passenden Stichworte lauten: Neugeburt des Staatskapitalismus gerade wegen Corona-Hilfen (Beteiligungen, Kredite, Dauersubventionen, jede Menge neuer Kontrolljobs für Parteibosse), brutale Pleiten der Kleinbetriebe/Selbständigen und eine steigende Verarmung breiter Bevölkerungsschichten.
Die letzten beiden Trends resultieren weitgehend aus den ersten. Soziale Unruhen sind dennoch in Deutschland nicht zu befürchten. Auch Hartz IV kann gedruckt werden. Und die „Reichen“? Diese werden sich in unserem Szenario mit den neuen Parteibonzen gutstehen und in Ruhe gelassen. Schon heute wählen die gut situierten millionenfach die Grünen.
Es geht wirtschaftlich bergab auch bei einem DAX von 20.000!
Selbst an einem DAX-Stand von 20.000 Punkten dürfte somit kaum erkennbar werden, dass es den meisten Deutschen bald schlechter gehen wird. Das pragmatische Ausland, hier in erster Linie die USA, China, die osteuropäischen Oligarchen oder die OPEC-Investoren, dürfte dann Germanien überholen und seine wertvollen Großkonzerne (Ausländeranteil an allen DAX-Aktien 2019 schon 55 Prozent, bei Adidas oder der Deutschen Börse 80 Prozent), langsam aufkaufen.
Ihre Investition wird eine kluge sein. Die Deutschen sind ja ein fleißiges Volk, das doch so gerne für seine Migranten und die neuen Besitzer ihrer Wirtschaft schufften wird…