Ökonomen bewerten die Idee, Corona-Hotspots abzuriegeln, um Reisen aus diesen heraus zu verhindern, sehr unterschiedlich. Gabriel Felbermayr, Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), weist darauf hin, dass sich die Abriegelung von Hotspots in Asien, und vor allem in China, bewährt habe, um die Ausbreitung des Virus schnell einzudämmen, wie er dem "Handelsblatt" (Montagausgabe) sagte.
"Es handelt sich aber um eine deutlich drakonischere Maßnahme als ein Beherbergungsverbot, und die Durchsetzung, auch das zeigt das Beispiel Asien, erfordert höheren Ressourceneinsatz, potentiell sogar Polizeieinsatz", sagte Felbermayr.
Ökonomisch betrachtet seien "zielgenaue Abriegelungen" vermutlich besser als generelle Reisebeschränkungen, weil sie die Anpassungskosten auf die geographischen Räume konzentrierten in denen das Infektionsgeschehen am stärksten ist. "Damit würden die richtigen Anreize gesetzt, lokal alles zu tun, um die Inzidenz zu reduzieren", sagte er.
Man müsse sich aber sehr genaue Gedanken machen über die Definition von Hotspots: "Wahrscheinlich müssten das Kommunen sein, nicht Kreise, und ob die kritische Inzidenzrate bei 50 Fällen pro Woche und 100.000 Einwohnern liegen soll, ist ebenfalls unklar", sagte er.
Ifo-Präsident Clemens Fuest wiederum glaubt, dass die ökonomische Wirkung davon abhängen würde, was "Abriegeln" genau bedeutet. "Wenn es darum geht, nicht beruflich veranlasste Reisen zeitlich begrenzt einzuschränken, dürften die wirtschaftlichen Folgen überschaubar sein, ein vollständiges Abriegeln für den Personenverkehr hätte dagegen hohe ökonomische Kosten", sagte er.
Außerdem müsse die Politik allgemeinen Folgen für das Vertrauen von Konsumenten und Produzenten bedenken: "Die Abriegelung wäre ein Signal, dass die Krise sich deutlich verschärft. Man sollte das meines Erachtens nur machen, wenn der Ertrag in Form der Eindämmung der Epidemie hinreichend hoch ist", sagte er.
Diese Abwägung sei schwierig und müsse auf der Basis sehr unvollständiger Informationen erfolgen. Das sei "keine leichte Aufgabe für die politischen Entscheidungsträger".
DIW-Präsident Marcel Fratzscher befürchtet daher schon jetzt, dass diese Abwägung nur schief gehen kann. "Der Erfolg von Corona-Maßnahmen hängt in allererster Linie von deren Akzeptanz bei den Menschen ab", sagte er dem "Handelsblatt".
Eine Abriegelung von Hotspots könnte nicht nur ineffektiv, sondern im schlimmsten Fall sogar kontraproduktiv sein, wenn viele Bürger dies nicht akzeptierten und sich deshalb gegen die gesamte Strategie und auch andere Maßnahmen der Politik stellten.
"Beispiele wie Spanien und Frankreich zeigen, dass härtere Restriktionen auch langfristig nicht zu einer besseren Begrenzung der Infektionswelle führen müssen." Fratzscher hält die Abriegelung von Hotspots daher für ein "gefährliches Experiment".
Foto: Absperrung der Polizei, über dts Nachrichtenagentur