Wirecard-Insolvenzverwalter Michael Jaffé erhebt in einem Schreiben an die verbliebene Belegschaft schwere Vorwürfe gegen Teile des alten Managements.
Der Konzern sei "in den Monaten vor der Insolvenz leergeräumt" worden, schreibt Jaffé laut eines Berichts der "Süddeutschen Zeitung" (Montagausgabe). Leergeräumt, das bedeutet: Frühere Verantwortliche haben systematisch Geld beiseitegeschafft.
Jaffé nennt in seinem Brief keine Namen, aber auf wen der Vorwurf vor allem zielt, ist nach Angaben aus Wirecard-Kreisen völlig klar: auf den untergetauchten Ex-Vorstand Jan Marsalek und dessen Umfeld. Marsalek hat sich vor vier Monaten in unbekannte Richtung abgesetzt. Er soll sich angeblich in Russland aufhalten.
Es sieht so aus, als wolle er sich für den Rest seines Lebens verstecken. Wer eine jahrzehntelange Flucht organisieren und finanzieren will, Marsalek ist erst 40, braucht Geld, schreibt die SZ. Das soll sich der untergetauchte Manager mit Hilfe von Vertrauten bei Wirecard beschafft haben. Im Kreise der Ermittler, Wirtschaftsprüfer und Anwälte, die Wirecard durchleuchten, ist von zahlreichen verdächtigen Geldflüssen vor allem von Ende 2019 bis zur Pleite Mitte 2020 die Rede.
Das gilt vor allem für hohe Kredite, die Geschäftspartnern in Asien gewährt wurden und die sich auf weit mehr als eine halbe Milliarde Euro summieren. Zugleich kündigt Jaffé in seinem Rundschreiben an, dass der Verkauf des Kerngeschäfts von Wirecard bald erfolgen solle. "Spätestens im November ist mit einer Entscheidung zu rechnen", die den Beschäftigten die gewünschte Klarheit bringe.
Die Prüfungen durch die beiden Interessenten seien weit vorangekommen, man befinde sich "nun in der Entscheidungsphase". Diese Woche war es dem Insolvenzverwalter gelungen, den Konzern-Ableger Wirecard North America für mehr als 300 Millionen Euro zu verkaufen. Damit kommt erstmals viel Geld in die zuvor leere Konzernkasse.
In seinem Rundbrief an die Belegschaft schreibt Jaffé: "Wie Ihnen bekannt", habe das Insolvenzverfahren "ohne jegliche Liquidität" begonnen. Die Einnahmen durch den Verkauf des Nordamerika-Geschäfts erleichtern nach Angaben aus Unternehmenskreisen nun auch die Aufklärung der dubiosen Geldflüsse.
Foto: Euro- und Dollarscheine, über dts Nachrichtenagentur