Werner Hoyer, Präsident der Europäische Investitionsbank (EIB), fordert dringend eine Vollendung der Kapitalmarktunion und einen EU-Binnenmarkt für Wachstumsthemen wie Digitalisierung.
Ansonsten, so befürchtet Hoyer, falle die EU weiter hinter die USA und China zurück. „Wenn es um die Themen Innovation und Klimaschutz geht, stehen wir in Europa vor enormen Herausforderungen, die die Politik teilweise noch immer unterschätzt“, warnt der Ex-Politiker im Gespräch mit dem Handelsblatt.
„Die Mitgliedsstaaten der EU verlieren seit 15 Jahren an Wettbewerbsfähigkeit in der Globalisierung. In dieser Zeit haben wir Jahr für Jahr 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts weniger in Forschung und Entwicklung investiert als unsere Konkurrenten in den USA und in Asien.“
Als wichtigste Antwort auf diese Herausforderungen sieht Hoyer die stärkere wirtschaftliche Integration in der EU: „Wir müssen den Binnenmarkt, die Bankenunion und vor allem die Kapitalmarktunion vollenden. Es führt kein Weg daran vorbei, dass wir einen einheitlichen Markt für Finanzdienstleistungen brauchen, wenn wir eine echte Konkurrenz zu den tiefen Kapitalmärkten in den USA, aber auch in Asien bieten wollen.“ Das Gleiche gelte auch für die Digitalisierung: „Hier brauchen wir ebenfalls dringend einen echten Binnenmarkt.“
Keinerlei Verständnis hat Hoyer für den zähen Streit um den EU-Haushalt und die damit verbundene Diskussion, wie sich die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit auch in Ländern wie Polen oder Ungarn sichern lassen: „Ich finde, wir gehen mit diesem fantastischen Projekt der europäischen Integration zu leichtfertig um. Allein, dass die Frage aufgeworfen wird, ob sich alle Mitgliedsstaaten an rechtstaatliche Regeln halten müssen, ist für mich ein Skandal“, betont der EIB-Präsident.
Seine Forderung: „Wir müssen aus dem Kleinklein heraus, und uns endlich ernsthaft daran machen, die strategische Eigenständigkeit Europas in der Welt zu erreichen.“
Den Brexit sieht Hoyer auch nach der Einigung über einen Handelspakt zwischen der EU und Großbritannien als „schlimme Fehlentscheidung“. Die Furch vor Verwerfungen an den Kapitalmärkten Anfang Januar hält der EIB-Chef aber für übertrieben: „Die Akteure hatten jahrelang Zeit, sich auf diesen Wandel vorzubereiten. Von daher erwarte ich keine chaotischen Verhältnisse. Wir als EIB erwarten jedenfalls keine Störung unserer Kapitalmarkt-Aktivitäten.“
Foto: Europäische Investitionsbank (EIB), über dts Nachrichtenagentur