Das Bundesfinanzministerium will die Euro-Schulden-Quote kippen, die im Vertrag von Maastricht festgelegt wurde. Politiker-Logik: Weil die Zinsen niedrig sind, dürfen Staaten mehr Schulden machen.
Das Bundesfinanzministerium bereitet sich auf eine Diskussion mit den europäischen Partnern zu einer möglichen Reform des EU-Stabilitätspaktes vor. Im Ressort von Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) spielt man dazu verschiedene Reformoptionen der EU-Schuldenregeln durch, berichtet das Handelsblatt unter Berufung auf Regierungskreise.
Den Überlegungen zufolge könnten bei den europäischen Regeln in Zukunft nicht mehr nur die Höhe der Schulden, sondern auch die Zinsausgaben eine wesentliche Rolle spielen. Da die Zinsen stark gefallen und damit die Aufnahme neuer Schulden nahezu umsonst ist, hätten die Staaten dadurch einen größeren Verschuldungsspielraum.
Aufgrund niedriger Zinsen und der stark gestiegenen Schuldenstände der Staaten plädieren EU-Kommission und Länder wie Frankreich dafür, die sogenannten Maastricht-Kriterien zu reformieren.
Bei den Überlegungen im Bundesfinanzministerium geht es darum, ob die „Tragfähigkeit“ der Staatsfinanzen stärker berücksichtigt werden müsse.
Es geht also um die Frage, was es Regierungen kostet, ihre Schulden zu bedienen. Im Bundesfinanzministerium wird allerdings betont, dass man keine Änderungen der Regeln einfordere. Man müsse sich aber mit der laufenden Debatte auseinandersetzen.
Schulden rauf - erst nach der Wahl
Die EU-Kommission will in der zweiten Jahreshälfte ihre Reformvorschläge vorlegen – aber auf jeden Fall die deutschen Bundestagswahlen Ende September abwarten. Ansonsten, so die Befürchtung in Brüssel, würde jede Initiative im Wahlkampf zerrissen.
Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten, den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu reformieren. Die weitreichendste wäre eine Änderung der Europäischen Verträge.
Allerdings wären die institutionellen Hürden so hoch, dass dies kommissionsintern trotz der aktuellen Diskussion als schwer realisierbar eingestuft wird.
Am einfachsten wäre eine Erklärung der europäischen Finanzminister, in der sie geloben, bei der Anwendung des Pakts flexibel zu bleiben, aber keine tiefer gehenden Reformen beschließen. Es zeichnet sich ab, dass die EU-Kommission empfehlen wird, einen dritten Weg einzuschlagen: die Überarbeitung der rechtlichen Regeln, die den Pakt konkretisieren.