Die 4. Welle hat bisher keine Auswirkung auf Aktien. Die Börsen eilen von Rekord zu Rekord. Kommt bald das böse Erwachen? Zusätzlich gibt es Zeichen der US-Notenbank, die Gelddruckmaschine etwas langsamer laufen zu lassen.
von Sven Weisenhaus
Gestern war in der Börse-Intern zu lesen, dass es in den USA allein am Samstag rund 72.000 Neuinfektionen und 300 Todesfälle gab. „Und in Tokio wurde am Samstag mit 4.058 Fällen zum ersten Mal die Marke von 4.000 durchbrochen“, hieß es dazu noch. Inzwischen haben die Gesundheitsbehörden in den USA 105.867 Neuinfektionen gemeldet. Laut Reuters ist das der höchste Anstieg binnen eines Tages seit sechs Monaten. Die Zahl der Todesfälle stieg auf 537. Und die Zahl der Neuinfektion in Tokio dürfte erstmals die Marke von 5.000 überschreiten, berichtet der Sender NHK.
Japan kurz vorm landesweiten Notstand
Japan hat seine Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie daher nun kräftig ausgeweitet. In fünf weiteren Präfekturen gelten ab sofort härtere Regeln. Zuvor galt bereits für sechs Präfekturen der Notstand, darunter die Hauptstadt Tokio. Somit sind inzwischen 70 % der japanischen Bevölkerung von Maßnahmen betroffen, nach zuvor 50 %. Und Experten fordern angesichts der steigenden Infektionszahlen sowie einer drohenden Überlastung des Gesundheitssystem sogar einen Notstand für das gesamte Land.
Aktienindizes zeigen weiterhin keine Schwäche
Die Corona-Zahlen steigen also aktuell weiter deutlich an. Doch die Aktienindizes in den USA und hierzulande bleiben nach wie vor von nennenswerten Rücksetzern verschont. Selbst der japanische Nikkei 225 zeigte sich jüngst stark. Dem DAX ist es dadurch heute gelungen, seine enge Seitwärtsrange nach oben zu verlassen.
Damit scheint die ABC-Konsolidierung beendet (blaue Buchstaben im Chart). Und nach der starken Kurserholung, die man als eine mögliche Welle 1 (grün) werten konnte, könnte sich nun eine weitere Aufwärtswelle (3) anschließen.
In einer laufenden Seitwärtsbewegung, in der sich der DAX aus übergeordner Sicht noch befindet, sollte man solche möglichen Szenarien aber noch mit Vorsicht genießen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass wir uns in den Sommermonaten befinden, die für ihre Fehlsignale berüchtigt sind. Zudem zählt der August eigentlich zu den beiden schwächsten Börsenmonaten eines Jahres.
Weitere Notenbankmitglieder drängen auf ein Tapering
Auch sollte man die weiteren Wortmeldungen von Mitgliedern der US-Notenbank (Fed) beachten, die auf ein baldiges Tapering hindeuten. So zeigte sich der Vize Präsident der Fed, Richard Clarida, deutlich optimistischer als jüngst noch der Fed-Präsident Jerome Powell. Die „notwendigen Bedingungen für eine Anhebung des Zielbandes für die Federal Funds Rate werden bis Ende 2022 erfüllt sein“, sagte er.
Zudem fordert auch Robert Kaplan, Leiter der Fed-Filiale in Dallas, ein baldiges und schrittweises Abschmelzen des Anleihen-Kaufprogramms (Tapering). Er bläst damit ins gleiche Horn wie sein Kollege Christopher Waller (siehe auch gestrige Börse-Intern). Solange der US-Arbeitsmarkt im Juli und im August weiter Fortschritte mache, sei es gut, die Käufe bald anzupassen, so Kaplan. Dies sollte schrittweise über einen Zeitraum von etwa 8 Monaten erfolgen.
Kaplan bezweifelt inzwischen sogar die Wirksamkeit der Anleihekäufe. Sie würden nicht viel dazu beitragen, den Arbeitsmarkt anzukurbeln. Dieser werde nicht durch mangelnde Nachfrage, sondern durch Angebotsprobleme gebremst. Kaplan könne sich daher vorstellen, die Anleihekäufe um etwa 10 Milliarden Dollar pro Monat und die MBS-Käufe um monatlich etwa 5 Milliarden Dollar zu reduzieren.
Bei diesem Rückführungsplan würden die Käufe tatsächlich in 8 Monaten enden, da die Fed aktuell noch jeden Monat US-Staatsanleihen im Volumen von 80 Mrd. Dollar und hypothekenbesicherte Wertpapiere (MBS) im Volumen von 40 Mrd. Dollar kauft.
Tapering ist noch kein Liquiditätsentzug, aber…
Nun ist eine Reduzierung von Käufen noch kein Liquiditätsentzug. Und daher ist auch nicht zu erwarten, dass die Aktienmärkte dadurch großartig belastet werden. Doch die Anleger könnten zumindest kurzzeitig etwas nervös auf einen konkreten Tapering-Plan reagieren. So war es auch, als 2013 der damalige Notenbank-Chef Ben Bernanke einen Plan zur Reduzierung der Anleihekäufe vorstellte. Aus meiner Sicht macht es daher weiterhin Sinn, in den Sommermonaten defensiv und äußerst wachsam zu bleiben.