Gefühlt spielt die Kapelle noch, trotz einer gewissen Schieflage. Das war auf der alten Titanic so, das ist auch auf dem aktuellen Ozeandampfer Deutschland so. Die Nation driftet ab in eine schleichende Deindustrialisierung.
von Stéfane Rateau
Das Gefühl ist gut, das viele frischgedruckte Geld hält die Wirtschaft momentan noch über Wasser, so dass das Land bestens gerüstet scheint für den künftigen so dringend notwendigen ökologischen Umbau. Das Gefühl ist so gut, dass es gar keinen zu interessieren scheint, dass der Umbau in eine neue Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung schon lange begonnen hat.
Wer zum Amtsantritt von Frau Dr. Merkel geboren wurde, kann bald sein Abitur ablegen. Diese Jugendlichen haben nie etwas Anderes kennengelernt als den Führungsstil und das Politikverständnis der Noch- Kanzlerin. Gleichwohl sind sie in Frieden und Wohlstand groß geworden, was viele von ihnen als selbstverständlich und möglicherweise auch als immerwährenden Besitzstand wahrnehmen dürften. In den Schulen wird - so zumindest die Mutmaßung – ein „grünes“ Weltbild vermittelt, demzufolge die Klimakatastrophe die schlimmste Bedrohung für die Menschheit sei, diese Bedrohung allein durch das politische Handeln Deutschlands abgewehrt werden könne und müsse, und das alle anderen Kernübel dieser Welt inklusive der Weltwirtschaftskrise 2008 dem Kapitalismus und dem Neo- Liberalismus zuzuordnen sei.
Deshalb sei der sofortige Umbau der Gesellschaft und Wirtschaft dringend angezeigt. Gestützt wird diese Sicht noch durch eine permanente Berieselung im Staatsfernsehen und den anderen sich in unmittelbare Staatsnähe begebenden Medien. Kein Wunder also, dass die heutige Jugend der technologischen Welt der Differentialgleichungen entflieht und stattdessen lieber ordnungswidrig Lernverweigerung durch Schulschwänzen betreibt. Selbst der Bundespräsident als Repräsentant des Staates steigt dazu Kohlendioxid emittierender weise in seinen Dienstjet, um den Schülern zum Verstoß gegen die staatliche Ordnung zu gratulieren.
Die Transformation hat schon begonnen
In diesem Wohlfühl- Umfeld ist es jedoch schon fast komplett untergegangen, dass der Umbau der Wirtschaft – und im Gleichschritt der Gesellschaft – schon lange begonnen hat. Die unzweifelhafte Sichtbarkeit dieses Wandels kann spätestens dem Jahr 2017 zugeordnet werden. Ab diesem Zeitpunkt sinkt, was die statistischen Daten zeigen, die gesamtgesellschaftliche Produktivität, auch wenn – kaschiert von den Gelddruckorgien der EZB – noch immer ein offizielles Wirtschaftswachstum ausgewiesen wird. In einer Phase der permanenten Geldmengenausweitung ist es somit nahezu verunmöglicht, allein aufgrund der offiziell präsentierten Daten einen wirklichen Indikator für die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung zu erhalten.
Bei der Suche nach einem brauchbaren nicht verfälschbaren Indikator für den Zustand der deutschen Wirtschaft stößt man fast unweigerlich auf die Daten zur Automobilproduktion in Deutschland. Wichtig dabei ist, die Produktions- und nicht die Verkaufszahlen zu betrachten. Nur produzierte Autos können mit Arbeitsplätzen in der Automobil- und Zulieferindustrie verknüpft werden. Deshalb ist in Abb. 1 die Entwicklung der Automobilproduktion in Deutschland ab 2017 dargestellt.
Abb. 1 Monatliche Automobilproduktion in Stück in Deutschland gemäß der vom VDA gemeldeten Zahlen und eine gemittelte lineare Trendkurve mit Projektion bis 2024 (eigene Graphik S.R.)
Keine „neue“ Technologie in Sicht
Im Jahr 2017 ist der Höhepunkt der Allzeit- Automobilproduktion mit gemittelt ca. 500.000 Fahrzeugen pro Monat ausgewiesen. Seitdem wirken die Maßnahmen der „neuen“ Ökonomie bereits, so dass Stand heute die gemittelte Automobilproduktion bereits halbiert wurde. Wie kaum in einem anderen Land stellt die Produktion hochwertiger Automobile jedoch das Herzstück der deutschen Volkwirtschaft dar.
Und kaum ein anderes Industrieland ist schwächer als Deutschland, was neuere Technologien angeht, die an die Stelle dieser „alten“ Ökonomie treten könnten. Solarzell- Produktion, Batterieproduktion, Kernkraftwerke der neuesten Generation – all das sind die Zukunftstechnologien, die um Deutschland einen weiten Bogen machen -wir sind einfach nicht wettbewerbsfähig oder lehnen die Technologien aus ideologischen Gründen gar ab. Auch die digitalen Technologien sind in Deutschland, von SAP einmal abgesehen, hier nicht wirklich zu Hause. Die wenigen möglicherweise kurzfristig erfolgreichen Start- Up´s sind bislang – siehe Wirecard – krachend gescheitert.
Es gibt wenig Hinweise, dass der in der Trendlinie gezeigt Ausblick auf die kommenden Jahre grundlegend falsch sein könnte. Die vereinte Politik auf Kommunal- Landes, Bundes- und Europaebene arbeitet zielstrebig am weiteren Niedergang. Angefangen bei den jüngsten Erhöhungen der Parkgebühren auf kommunaler Ebene, Treibstoffpreiserhöhungen auf Bundesebene bis hin zu kaum erfüllbaren Abgasnormen auf Europaebene (Euro 7 und Verbrauchslimitierungen) wird die Automobilindustrie in den staatlichen Würgegriff genommen.
Die Energiewende führt ins Nichts
Die vollmundig propagierte Transformation zur Elektromobilität – E-Autos brauchen bekanntlich Strom – wird sinnvollerweise flankiert von flächendeckenden Kraftwerksabschaltungen. Schon im nächsten Jahr fehlen wieder mal 7 GW verlässliche elektrische Leistung gegenüber 2021, und das bei einem zunächst noch transformationsbedingt steigenden Strombedarf. Von 2021 auf 2023 zeigt sich ein besonders steiler Abfall gesicherter Kraftwerkskapazität. Wie steil im Weiteren der Abfall ausfällt, wird in der kommenden Bundestagswahl entschieden.
Abb. 2 Entwicklung der Kraftwerksleistung der deutschen konventionellen Kraftwerke (ohne Gas) bis 2040 (eigene Graphik S.R.). Enthalten sind auch die Steinkohlekraftwerksabschaltungen nach den ersten Tranchen der Versteigerungen. Eine weitere (gestrichelte) Linie deutet das von den Grünen propagierte Vorziehen des Kohleausstieges bis 2030 an.
Somit erscheint auch dieser Ausweg in die Elektromobilität für die heimische Automobilindustrie verbaut – und Deutschland driftet ab in eine schleichende Deindustrialisierung. Wohlstandsverluste, soziale Verteilungskämpfe und unablässige Schuldzuweisungen an die „Anderen“ werden uns wohl in den nächsten Jahren zwischen den Brown- und Black-outs begleiten. Vielleicht ist aber auch mit dem Schlagwort „große Transformation“ der Umbau einer wohlhabenden Industriewirtschaft in eine rudimentäre Subsistenzwirtschaft gemeint. Die „große Transformation“ und der „große Sprung nach vorne“ erscheinen in diesem Lichte als Zwillingsschwestern, die aus einem Geiste geboren sind und zum selben Ergebnis hinführen. Grün wirkt.