Frankreich wirbt bei der künftigen Bundesregierung für eine umfassende Reform der Schuldenregeln in der Eurozone. "Wenn Sie sich das Schuldenniveau nach der Coronakrise anschauen, sehen Sie zwischen einzelnen Euro-Mitgliedern eine Spannbreite von bis zu 100 Prozentpunkten", sagte der französische Finanzminister Bruno Le Maire dem "Handelsblatt". Die Frage laute: "Wenden wir weiter Regeln wie die obsolete 60-Prozent-Grenze bei der Staatsverschuldung an, oder versuchen wir gemeinsam und gelassen, über neue Regeln nachzudenken?" Frankreich will die Debatte während seiner EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2022 forcieren und hofft auf deutsche Unterstützung.
Statt zu einer starren Obergrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bei der Staatsverschuldung müsse sich jedes Mitglied der Euro-Zone zu einem Konsolidierungsplan verpflichten, der aber auf die jeweilige nationale Lage zugeschnitten sei. "Wir schlagen Regeln vor, die die wirtschaftliche und fiskalische Situation der einzelnen Länder berücksichtigen", sagte Le Maire. Auch das Drei-Prozent-Ziel beim Haushaltsdefizit steht demnach zur Diskussion. Es geht darum, ob Zukunftsinvestitionen des Staates auf diese Grenze angerechnet werden. Zwar müssten die Euroländer ihre Defizite in den Griff bekommen, sagte Le Maire. "Wir wünschen uns aber Regeln, die unverzichtbare Investitionen in neue Technologien und den Kampf gegen den Klimawandel nicht hemmen." Der wahrscheinliche nächste Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich wiederholt skeptisch zu einer Reform der Schuldenregeln in der Währungsunion geäußert. Le Maire sagte dem "Handelsblatt", er habe "viel Vertrauen in die Fähigkeit" von Scholz, "bei allen Themen" eine Einigung mit Frankreich zu finden. "Aus meiner persönlichen Erfahrung ist Scholz ein Mann des Dialogs und Kompromisses, mit sehr klaren Vorstellungen zu Europa."
Foto: Euromünzen, über dts Nachrichtenagentur