Die Inflation galoppiert weltweit. Doch Zinserhöhungen sind eher Lippenbekenntnisse. Notenbanken versprechen zwar, die Gelddruckmaschine langsamer laufen zu lassen. Doch Omikron könnte einen Strich durch die Rechnung machen.
Börsen-Zeitung: "Die zaghafte Fed" Kommentar zur Zinspolitik in den USA. von Kai Johannsen
Die US-Notenbank Fed beschleunigt den Ausstieg aus ihrer ultralockeren Geldpolitik. Das beschlossen die Währungshüter in der gerade abgelaufenen Woche. Die Wertpapierkäufe sollen ab Januar in monatlichen Schritten nun um 30 Mrd. Dollar gekürzt werden und damit doppelt so stark wie vorher. Damit verliert der Markt eine Triebfeder. Auch der Leitzins (Fed Funds Rate) soll stärker nach oben gehen als bislang avisiert. 2022 sollen es drei statt ein Schritt sein auf dann im Schnitt knapp 1%. Für 2023 und 2024 werden nun Werte von 1,6% nach bislang 1% projiziert; für 2024 2,1% nach zuvor 1,8%. Am US-Staatsanleihenmarkt gab es nur kurze Reaktionen auf die Ankündigung der Fed, die Futures lagen schnell wieder auf dem Niveau von vor dem Beschluss. Nur die 30-Jahres-Papiere lagen am Ende noch auf etwas höherem Renditeterrain. Der US-Bondmarkt kennt ja die Fed.
Es gibt immer ein Aber
Die Fed wäre nicht die Fed, wenn sie ihren Beschlüssen nicht auch ein Aber hinzufügen würde. Schließlich gibt es eigentlich immer ein "Aber", und zwar nicht nur bei der US-Notenbank. Die Fed wies darauf hin, dass es auch Risiken für diese Projektionen gibt. Die neue Virus-Mutation Omikron wird als ein solches Risiko definiert. Sie könnte bei einer raschen Ausbreitung, also hohen Infektionszahlen und Erkrankungen, neuerliche Maßnahmen in den USA erforderlich machen. Das würde bedeuten, dass es auch bis hin zum Lockdown gehen könnte, was natürlich niemand hofft. Auch der Arbeitsmarkt könnte nach Ansicht der Fed ein solcher Risikofaktor sein. Er bewegt sich zwar in Richtung Vollbeschäftigung, aber man weiß auch bei der Fed, dass wirtschaftliche Beeinträchtigungen schnell zu sehr heftig ansteigenden Arbeitslosenzahlen führen können. Aber sind das wirklich alle Risikofaktoren, die den Ausstieg aus Quantitative Easing wieder verlangsamen und Leitzinsanhebungen weiter in die Zukunft verschieben könnten?
Zwar geht die Fed von einer Erhöhung der Inflationsrate von bislang angenommenen 2,2% auf 2,6% aus, aber sollte sich die Inflation nicht nach oben bewegen, sondern die Gegenrichtung einschlagen, könnten Leitzinsanhebungen nicht mehr so dringend erforderlich sein. Zugegeben: Auf kurze Sicht sieht es wahrlich nicht nach einer schnellen Trendumkehr bei der Teuerung aus.
Und aus der Vergangenheit ist bekannt, dass die Fed sehr viele Aspekte in ihr Kalkül genommen hat, und diese ließen die Währungshüter ein ums andere Mal dann wieder sehr zaghaft werden. Nach der Immobilien- und Finanzmarktkrise wartete die Fed unter Ben Bernanke und später unter der heutigen US-Finanzministerin Janet Yellen sehr lange mit der ersten Zinsanhebung ab - immer unter Verweis auf neue Gegebenheiten, die ein Risiko darstellten. Und davon sah insbesondere Yellen einige.
An erster Stelle steht - wie jetzt auch - die konjunkturelle Verfassung der USA, also Arbeitsmarktsituation, Wirtschaftswachstum und Inflation. Hinzu kamen in den Vorjahren aber auch die geopolitischen Spannungen, die sie zur Zurückhaltung veranlassten. Es war zudem die Lage auf den Finanzmärkten, die als nicht stabil für Zinsanhebungen erachtet wurden. Auch die Verfassung auf den Rohstoffmärkten zählte zu den Risikofaktoren, allen voran der Ölpreis.
Und auch die Wirtschaftsverlangsamung in China war ein solcher Umstand, auf den die Fed verwies und lieber noch mal mit der Anhebung der Fed Funds Rate wartete. Dann war es die Situation in den Schwellenländern, bei denen die Fed davon ausging, dass ein Zinsanstieg in den Vereinigten Staaten zu einem Abzug von Investorengeldern in Richtung der USA führen würde. Und genau das - so die Ansicht der US-Währungshüter - könnte dazu führen, dass die Schwellenländer aufgrund des Kapitalabzugs unter Druck geraten. Die Fed hielt sich deshalb wiederum zurück.
Ohne Frage: Schlägt die Pandemie nicht noch heftiger zu, ist die Situation am Arbeitsmarkt robust, das Wirtschaftswachstum kräftig und bleibt die Inflation auf hohem Niveau, dann können sich die Marktteilnehmer wohl ab Mitte 2022 auf die erste US-Leitzinsanhebung einstellen. Aber irgendwie klingt das nach "alles andere bleibt gleich" - unter Volkswirten auch als Ceteris-paribus-Bedingung bekannt. Aber die Welt steht nun mal nicht still, und bekannt ist die Fed für ihre Zaghaftigkeit. Zu berücksichtigen ist auch die eigene Schuldensituation der USA, die nicht gerade als überschaubar zu bezeichnen ist. Höhere Leitzinsen und steigende Bondrenditen machen auch den USA das Schuldenleben unzweifelhaft schwerer. Das wird Frau Yellen sicher auch Herrn Powell das eine oder andere Mal signalisieren.