Die französische Botschafterin in Deutschland, Anne-Marie Descôtes, hat den Wunsch der französischen Regierung, die Maastricht-Regeln der Europäischen Union zu reformieren, bekräftigt. "Wir glauben, wir können nicht einfach zurück zu den früheren Regeln", sagte sie der "Welt" (Freitagausgabe). "Wir sind der Meinung, dass wir nicht die Fehler wiederholen sollten, die in der Finanzkrise gemacht worden sind: Zu schnell zu den Regeln zurückzukehren, ohne zu beobachten, was in den verschiedenen Ländern passiert", so Descôtes.
In den zehn Jahren, in denen alle bemüht gewesen seien, zu den Regeln zurückzukehren, hätten die großen Konkurrenten USA und China massiv investiert. "Das ist der Grund, weshalb wir jetzt diesen Rückstand haben", sagte die Diplomatin. Frankreich hat seit dem 1. Januar 2022 für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft inne. Man habe sich "ehrgeizige Ziele gesetzt" so die Botschafterin. Der wichtigste Termin sei der Sondergipfel des Europäischen Rates am 10. März. Dort wolle man mit den europäischen Partnern über ein "neues Wachstumsmodell sprechen". Es gehe darum, "zu definieren, wie Europa stärker und souveräner werden kann". Das bedeute auch, dass "wir uns die Frage stellen müssen, wie wir in den kommenden Jahren den Haushalt finanzieren und diese Investitionen langfristig stützen wollen".
Bislang sehen die sogenannten EU-Konvergenzkriterien nach dem Vertrag von Maastricht vor, dass die EU-Staaten sich maximal in Höhe von 3 Prozent des BIP neu verschulden dürfen. Die Gesamtschuldenlast soll 60 Prozent des BIP nicht übersteigen. Wie die Neufassung der Regeln aussehen soll, ist noch offen. "Zahlen werde ich nicht nennen", sagte die französische Botschafterin der "Welt". Frankreich glaube nicht, "dass wir während unserer Präsidentschaft zu neuen Regeln kommen können". Aber man wünsche, dass "eine offene und gründliche Diskussion stattfindet, bei der alle Argumente berücksichtigt werden".
Paris wolle nicht auf Regeln verzichten. "Aber wir müssen auch für die Zukunft investieren, um neuen Reichtum zu erzeugen, der uns dann erlaubt, die Schulden zurückzuzahlen. Da sollte es keinen Dogmatismus geben, sondern wir sollten gründlich die Lage analysieren", so Descôtes. Die Botschafterin bekräftigte außerdem die Position der Regierung in Paris, weiterhin auf Atomenergie zu setzen: "Wir denken, dass es unmöglich ist, auf sie zu verzichten", so die Diplomatin. Das heiße nicht, dass Frankreich ausschließlich auf Kernkraft setze. Man wolle auch erneuerbare Energien ausbauen. "Aber wir wissen, das wird nicht schnell genug gehen, um den Bedarf zu decken." Also müsse man pragmatisch vorgehen. Kernkraft sei in 14 europäischen Ländern vorhanden und erzeuge emissionsfrei Strom.
Foto: Euromünze, über dts Nachrichtenagentur