Energieversorger fürchten Milliardenklagen der Industrie bei Gas-Stopp. Nationaler Notfallplan: Zuerst werden private Haushalte versorgt, Industrie droht Abschaltung. Qatar: Behauptung, russisches Gas zu ersetzen ist lächerlich, technisch derzeit nicht möglich.
Bei einem Stopp russischer Gaslieferungen fürchten die Energiekonzerne Schadensersatzklagen in Milliardenhöhe durch Unternehmen, die nicht mehr ausreichend mit Gas versorgt werden können. Das berichtet der "Spiegel" in seiner neuen Ausgabe. Die Versorger sollen deshalb bei einer vertraulichen Sitzung von der Bundesnetzagentur verbindliche Kriterien eingefordert haben, nach denen die Behörde über die Belieferung der Industriebetriebe entscheidet.
Ein nationaler Notfallplan sieht bisher vor, dass bei sinkendem Gasdruck zuerst private Haushalte versorgt werden. Industriebetriebe müssen mit Rationierung oder Abschaltung rechnen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), die die Gespräche mit der Bundesnetzagentur führen, hatten zuvor deutlich gemacht, dass sie der Behörde keine konkreten Unternehmen nennen würden, die von der Versorgung abgeschnitten oder rationiert werden könnten. In drei Arbeitsgruppen wollen Verbände und Behörde nun Kriterien für Abschaltungen erarbeiten und technische Details klären. Dabei dürfte relevant sein, ob Fabriken heruntergefahren werden können und ob es um Produkte geht, die lebenswichtig sind oder in den Lieferketten dringend benötigt werden. BDEW-Geschäftsführerin Kerstin Andreae hatte die Regierung am Donnerstag aufgefordert, die Frühwarnstufe auszurufen. Der Vorstoß sollte offenbar Tempo in die Vorbereitungen bringen. "Wir müssen Tacheles reden", soll sie in einer Videorunde gesagt haben.
Qatar: Es braucht Jahre, die Abhängigkeit von Russland zu verringern
Der qatarische Energieminister Saad al-Kaabi dämpft die deutschen und europäischen Hoffnungen auf schnellen Ersatz für russisches Gas. Wenn man die Abhängigkeit von Russland oder anderen Ländern verringern will, dann muss man das planen, und es braucht Jahre, bis alles entwickelt ist“, sagte al-Kaabi gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z. Samstagsausgabe). Er sieht nicht, dass jemand kurzfristig einspringen kann. „Niemand allein kann das sein“, führte er aus. „Zu sagen, ich kann heute auf Russland verzichten, und zu behaupten, Qatar oder andere könnten das ersetzen, ist lächerlich. Das ist Blödsinn. Das wird nicht passieren“, sagte der Minister der F.A.Z.
Al-Kaabi widersprach Berichten über einen Deal zwischen seinem Land und Qatar über eine langfristige Energiepartnerschaft. Die Frage, ob es einen solchen gebe, beantwortet er mit: „Nein.“ Zugleich machte der qaratische Minister, der zugleich CEO des staatlichen Konzerns Qatar Energy ist, deutlich, es gebe einen „klaren Willen“ und großes Interesse, ins Geschäft zu kommen.
Nach der Darstellung al-Kaabis hat Qatar Energy erst von von 2025 Jahren an die Möglichkeit, maßgebliche Mengen bereitzustellen. Fast das gesamte qatarische Gas sei bis 2026 durch bestehende Lieferverträge gebunden, sagt al-Kaabi der F.A.Z.. „Wir haben ein großes Projekt in den USA, an dem wir zu 70 beteiligt beteiligt sind. Qatar Energy hat dort ein Volumen von 16 Millionen Tonnen, das wir auch nach Deutschland oder in andere Länder liefern können. Und Europa bietet sich als Bestimmungsort dafür an, weil es näher liegt.“ Von 2026 würden neue Kapazitäten frei, weil Qatar seine Produktion von 77 Millionen auf 126 Millionen Tonnen pro Jahr erhöhen werde.