SocGen Analyst: „Wir alle, die im Finanzbereich arbeiten, müssen mittlerweile erkennen, dass wahrscheinlich etwas brechen wird im Finanzsystem und wahrscheinlich schon bald." - Auslöser sind unterschiedliche Zinsentwicklungen in den großen Währungsräumen.
Euro / Dollar 1 Jahr
Dollar / YEN 1 Jahr
von Sascha Opel
Wir sehen gerade eine Flucht in Cash. Und zwar aus fast allen Anlageklassen. Wenn so etwas auftritt, dann brodelt irgendetwas im System, was womöglich bald ans Tageslicht kommt. Societe Generale Chefstratege Albert Edwards sieht einen möglichen Konflikt, der zu Verwerfungen führt, in der Konstellation, die sich zwischen dem unterschiedlichen Verhalten der FED, der Bank of Japan und der chinesischen Zentralbank anbahnt. Auch der Euro ist betroffen.
Hintergrund: Während die FED die Zinsen anzieht, geschieht in Japan, China aber auch der Eurozone das Gegenzeil. Edwards stellt fest, dass in der aktuellen Konstellation in China etwas passieren könnte. Er zitiert den SocGen-China-Experten Wei Yao, der glaubt, dass die chinesische „Wirtschaft jetzt in ernsthafter Notlage ist und eigentlich eine aggressive monetäre Lockerung erfordert. Diese Divergenz – zwischen anziehenden US-Zinsen und der Notwendigkeit der Lockerung in China – bezeichnet die SocGen als „Wechselkurstod“. Dies kann so lange andauern, bis etwas im Finanzsystem bricht.
Er sieht die Bank of Japan in einem unlösbaren Dilemma, da man auf der einen Seite einen Crash des Yen zu verhindern sucht und auf der anderen Seite die 10-jährige Rendite unter der Zinskurvenobergrenze von 0,25 % halten will. Das Problem ist, dass die BOJ zwar das eine oder das andere kontrollieren kann, aber nicht beides. Japan findet sich plötzlich in einem Lose-Lose-Dilemma wieder: Intervenieren Sie am Anleihemarkt und lösen einen potenziell destabilisierenden und unkontrollierten Absturz des Yen aus, der auch zu einer galoppierenden Inflation führen würde, was das restliche Vertrauen in die BOJ zunichtemachen könnte, oder tun sie nichts und riskieren den Einbruch des Yen, was in einem Land, in dem die BIP-Verschuldung höher ist als in fast allen anderen Ländern der Welt, auch den fiskalischen und monetären Untergang bedeuten könnte. Der Markt, der sich längst an einvernehmliche Interventionen der BOJ gewöhnt hat, könnte nun eines dieser beiden Ergebnisse testen, und die Reaktion der BOJ könnte dramatische Folgen haben. Sollte die Reaktion der BOJ zu einer weiteren Erosion des Vertrauens in Japans Fiskal- oder Geldpolitik führen, wäre das Ergebnis für die am stärksten verschuldete Nation der Welt katastrophal.
In einer Notiz, die Ende letzter Woche veröffentlicht wurde, richtet Edwards seine Aufmerksamkeit auf den Yen und den Yuan und schreibt, dass „wir alle, die im Finanzbereich arbeiten, müssen mittlerweile erkennen, dass wahrscheinlich etwas brechen wird im Finanzsystem und wahrscheinlich schon bald."
Denn laut dem SocGen-Strategen „garantiert die Schnelligkeit der aktuellen Marktbewegungen und die Polarisierung der jetzt extremen Politik der Fed (hawkish) und BoJ (dovish) fast dieses Ergebnis. Er schreibt: „Vielleicht wäre das Ergebnis nicht so hässlich, wenn Zentralbanker nicht die letzten Jahrzehnte damit verbracht hätten, die Vermögenspreise durch ihre monetäre Inkontinenz auf die heutigen grotesken Niveaus zu treiben. Aber sie taten es."
Kurzum: Während die ganze Welt auf die Ukraine achtet, könnte der wahre Showdown der globalen Finanzstabilität in Japan stattfinden. Yen und Yuan sind jüngst zum USD eingebrochen, was die fundamentale Spaltung der Geldpolitik bereits widerspiegelt. Japan und China sind die beiden großen Zentralbanken, die derzeit lockern, während die USA die Zügel aufgrund der Inflation anziehen. Laut Albert Edwards wird diese Divergenz zu katastrophalen Marktfolgen führen. Es ist für ihn „die größte Geschichte, über die niemand spricht“.
Edwards vergleicht die geldpolitische Divergenz zwischen den USA und Japan mit „einem Autounfall in Zeitlupe“.
Am Freitag hielt die Bank of weiterhin an ihrer Politik der Zinskurvenkontrolle fest, die die 10-jährigen Renditen auf 0,25 % begrenzte und bot sogar eine neue Runde an unbegrenzten Käufen von 10-jährigen Anleihen für einen Zeitraum von vier Tagen an. Gleichzeitig versuchten die „Falken“ der FED, den Markt davon zu überzeugen, dass eine Reihe von Anhebungen der FED-Funds um 50 Basispunkte (oder sogar 75 Basispunkte) unmittelbar bevorstehen. Sieht man die Reaktion der US-Aktienmärkte (schwach), dürfte man den Markt von dem Vorhaben überzeugt haben.