Der Ökonom Francesco Giavazzi, der als einflussreichster Berater des italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi gilt, ist Zweifeln an der finanzpolitischen Solidität Italiens entgegengetreten. Die Lage Italiens sei heute nicht mit der bei früheren Krisen zu vergleichen, sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Die Regierung Draghi verfolge ein konsequentes Reformprogramm, das hohe Milliarden-Investitionen im Rahmen des Europäischen Wiederaufbauprogrammes sichere.
Die italienischen Risikoaufschläge ("Spread"), verglichen mit deutschen zehnjährigen Bundesanleihen, seien in den letzten Tagen auch nur so stark gestiegen wie alle öffentlichen und privaten Anleihen, die wie Italien ein BBB-Rating hätten. "Es gab nichts Spezifisches für Italien, außer - wie wir wissen - die Tatsache, dass wir hohe Schulden haben", sagte Giavazzi. Er fügte hinzu, dass die Ankündigung der Europäischen Zentralbank von neuen Maßnahmen gegen hochschießende Zinsabstände Wirkung zeige.
Zuletzt sind die Risikoaufschläge wieder gesunken. Im Übrigen entwerte die hohe Inflation auch die Schulden Italiens. Das südeuropäische Land war in den vergangenen Tagen unter Druck geraten, weil italienische Staatsanleihen und Aktien deutlich an Wert verloren. Politische Risiken spielten dabei auch eine Rolle, weil viele Anleger nach den Parlamentswahlen, die spätestens im Frühjahr 2023 stattfinden, eine Abkehr von der Reformpolitik befürchten. Dem wiedersprach Giavazzi: "Wer auch immer Italien nach den Wahlen 2023 regiert, wird denselben Kompass haben wie diese Regierung: den Plan umzusetzen, den Italien mit Europa vereinbart hat, den Piano nazionale di Reprisa e Resilienza (PNRR)", den "Nationalen Plan für Erholung und Widerstandsfähigkeit", der weitgehend aus europäischen Zuschüssen und Darlehen finanziert wird.
Die Kommission überwache, was man Tag für Tag tue. "Wenn sie etwas sieht, das nicht in Ordnung ist, sagt sie das uns, und gemeinsam versuchen wir zu verstehen, warum, und wir korrigieren es entsprechend", so Giavazzi. Zum Kampf gegen die Verschuldung setzt die Regierung Draghi vor allem auf höheres Wachstum. "Nur wenn das Bruttoinlandsprodukt wächst, kann die Schuldenquote sinken", sagte der Ökonom. Der Internationale Währungsfonds und die OECD erwarten für 2022 ein Wachstum von 2,5 Prozent und für das kommende Jahr von 1,75 beziehungsweise 1,2 Prozent.
Foto: Italienische Zentralbank, über dts Nachrichtenagentur