In der Debatte um Energieeinsparungen wollen die Arbeitgeber die Temperaturvorgaben am Arbeitsplatz auf den Prüfstand stellen. "Die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine treffen uns alle schwer", sagte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstagausgaben). "Daher ist es richtig und notwendig, über die Regeln zur Kühlung und Beheizung in den Betrieben und Büros nachzudenken", sagte er.
"Wir brauchen eine gemeinsame Kraftanstrengung, die diese Vorgaben auf Krisenfestigkeit prüft und anpasst." Kampeter forderte zudem, dass die Arbeitszeit flexibler ausgestaltet werden solle. Mit Blick auf den Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), durch Homeofficeregelungen im Winter Energie zu sparen, warnte der BDA-Vertreter vor einem Eingriff des Staates. Unternehmen, Beschäftigte, Betriebsräte und Tarifvertragsparteien würden angepasste Lösungen finden. "Bundesregierung und Gesetzgeber braucht es dafür nicht", sagte der BDA-Hauptgeschäftsführer. Auch Stefan Wolf, Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, zeigte sich offen für eine Absenkung der Mindesttemperatur in den Betriebsstätten. "Es ist nicht dramatisch, einen Pullover mehr anzuziehen. In der jetzigen Situation ist Solidarität gefragt", sagte Wolf den Funke-Zeitungen. Der Gesamtmetall-Chef verwies auf sein eigenes Unternehmen, den Automobilzulieferer ElringKlinger, bei dem er Vorstandsvorsitzender ist: "Bei ElringKlinger etwa haben wir bereits im April beschlossen, dass wir die Raumtemperatur im Betrieb auf 18 Grad herunterfahren werden." Eine solche Maßnahme sei "richtig und sinnvoll". Bevor man die Mindesttemperatur in den Büros gesetzlich absenke, solle man aber Erfahrungswerte im Herbst und Winter sammeln, sagte Wolf. Bei Privatwohnungen hingegen sprach sich der Gesamtmetall-Chef gegen eine Absenkung der Mindesttemperatur aus. Auf Kritik stößt der Vorstoß der beiden Arbeitgeberverbände beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).
"Wer wirklich Energie sparen will, kann Potentiale energetischer Sanierung für Arbeitsstätten ausschöpfen und bei der Arbeitsorganisation nachsteuern. Beschäftigten Frieren oder dicke Pullover zu verordnen und ihnen einseitig die Lasten der aktuellen Krise zuzuschieben, geht jedenfalls nicht", sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel den Funke-Zeitungen. Sie hält die Debatte über ein Absenken der Temperaturen in Betrieben und Büros für "wenig zielführend", da es bereits flexible Richtwerte für die untere Temperaturgrenze geben würde. Es sei die Aufgabe der Arbeitgeber, regelmäßige Gefährdungsbeurteilungen durchzuführen, um menschenwürdige und gesunde Arbeit zu garantieren. Dies gelte auch für die Temperatur am Arbeitsplatz.
"Die Wahrheit ist: Bloß die Hälfte der Betriebe kommt dieser Pflicht zu Gefährdungsbeurteilungen überhaupt nach", kritisierte Piel. Auch Homeoffice zum Energiesparen könne nur ein kleiner Baustein sein, führte das DGB-Vorstandsmitglied aus. "Energienot darf nicht dazu führen, dass Homeoffice dazu genutzt wird, Kosten für Arbeit - dazu gehört das Heizen der Arbeitsstätten - auf die Beschäftigten zu verlagern", mahnte sie. Wolle die Bundesregierung per Homeoffice Energie sparen, müsse sie Hilfspakete für alle Haushalte schnüren und die Energiepreise deckeln, so Piel.
Foto: Glasfassade an einem Bürohaus, über dts Nachrichtenagentur