Saudi-Arabien, andere Golfstaaten und Russland wollen einen höheren Ölpreis durchsetzen. - Ein historische Bruch im „Petrodollar“? Die Saudis stimmen sich mit Russland ab, nicht aber mit den USA. - Wirtschafts Krieg um neue Weltordnung?
von Sascha Opel
Der Ölpreis ist aus seiner Lethargie erwacht und hat die 80 USD-Marke erreicht, nachdem überraschend Produktionskürzungen von Saudi-Arabien, dem Irak und mehreren Golfstaaten am Sonntag bekanntgegeben wurden. Man will die Produktion um mehr als eine Million Barrel Öl pro Tag kürzen. Darüber hinaus sagte Russland, es werde seine Kürzung von einer halben Million Barrel pro Tag bis Ende des Jahres verlängern.
Auch hier ist der historische Bruch im „Petrodollar“ zu erkennen: Die Saudis stimmen sich mit Russland ab, nicht aber mit den USA. Ja, sie handeln sogar explizit gegen das Interesse der Amerikaner. Einer der Hauptgründe für den schwachen Ölpreis der letzten Monate war nämlich in den USA zu suchen. Joe Biden hatte nach Einmarsch Russlands in die Ukraine veranlasst, dass die strategische US Ölreserven zur Minderung des Ölpreisanstiegs angezapft werden.
Gleichzeitig hatte man damals die heimischen Produzenten aufgefordert, die Produktion zu erhöhen, um die Energiepreise zu senken. In den beiden Schaubildern unten sieht man, wie sich die Öllager in den USA in den letzten Monaten leerten. Völlig klar, dass dieses Spiel irgendwann zu Ende gehen muss, wenn die USA nicht bald „nackt“ dastehen wollen. Insofern könnte das „Timing“ der Saudis genau dann kommen, wenn die USA ihre Reserven wieder auffüllen müssen.
Es gibt wenige Dinge, welche die SUV- und Pick-Up-besessenen US Wähler weniger mögen als hohe Spritpreise. Zudem wollte Biden den Russen möglichst großen Schaden zufügen, indem diese nicht noch durch hohe Öl-Preise profitieren. Diese Strategie könnte nun zu Ende gehen. Die Amerikaner sind "not amused" über den Schritt. Ein Sprecher des US National Security Council sagte: „Wir halten Kürzungen angesichts der Marktunsicherheit derzeit nicht für ratsam – und das haben wir deutlich gemacht.“ Yael Selfin, Chefvolkswirtin bei KPMG, warnte davor, dass der Anstieg des Ölpreises den Kampf zur Senkung der Inflation erschweren könnte.
Wir sehen diese Machtspiele um das Öl im großen Bild einer neuen, sich bereits abzeichnenden, multipolaren Weltordnung und dem Ende des US-Hegemons als einzige Weltmacht.
Bitte bedenken Sie, dass solche historischen Transformationen so gut wie nie ohne große Kriege abgelaufen sind (sehr lesenswert dazu das Buch von Ray Dalio, „Weltordnung im Wandel“). Wir sehen den Ukraine-Russland-Krieg als mögliche Vorboten eines US-chinesischen Krieges (3. Weltkrieg). Aufhorchen lässt, dass die USA angefangen haben, Taiwan aufzurüsten.
Wirtschafts Krieg um neue Weltordnung?
Sehr lesenswert dieser Handelsblatt-Artikel von Daniel Stelter im Handelsblatt .
Wir zitieren: „Die Welt war überrascht als die Erzfeinde Iran und Saudi Arabien beschlossen, diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Weder im Nahen Osten noch in den USA hatte man mit dieser Annäherung gerechnet. Was das Ganze noch bedeutsamer macht, ist die Tatsache, dass es chinesische Diplomatie war, durch die dieser Durchbruch gelang.
Nicht überrascht hat es den Credit-Suisse-Analysten Zoltan Pozsar. In einer Serie von Aufsätzen hatte er schon im vergangenen Jahr aufgezeigt, wie umfassend und strategisch China seit Jahren an einer neuen Weltordnung arbeitet. Dabei sicherte sich China zunächst den Zugriff auf Energie und Rohstoffe. Im Gegenzug für Milliardeninvestitionen liefern der Iran, Russland und Venezuela Öl an China deutlich unter Weltmarktpreis. Zusammen stehen die drei Länder immerhin für rund 40 Prozent der weltweit nachgewiesenen Ölreserven.
Saudi-Arabien wird künftig sein Öl gegen die chinesische Währung Renminbi verkaufen. Im Gegenzug baut China im Königreich Industrien und Raffineriekapazitäten. Die anderen Staaten am Golf dürften dem saudischen Vorbild folgen. Da sie nicht wie Russland oder Venezuela mit Sanktionen belegt sind, verkaufen sie das Öl zu Marktpreisen, aber eben nicht mehr gegen Dollar, die sie dann im Westen anlegen, sondern gegen Investitionen Chinas. China möchte eine Gruppe von Staaten um sich scharen, die der westlichen Weltordnung skeptisch gegenüberstehen. Neben den bereits genannten Ländern sind das vor allem Brasilien, Argentinien, Indonesien, aber auch Indien.
Afrika steht schon lange unter russischem und chinesischem Einfluss. Ziel ist es, einen Block zu bilden, der miteinander handelt und dabei den US-Dollar meidet. Dazu passt das sogenannte mBridge-Projekt, ein internationales Zahlungssystem basierend auf digitalem Zentralbankgeld unter chinesischer Führung. Es soll die direkte Abwicklung von Zahlungen zwischen Ländern ohne den bisher üblichen Umweg über den US-Dollar ermöglichen. Durch die Sanktionen gegen die russische Notenbank haben die Bemühungen vieler Länder, sich vom US-Dollar zu lösen, Auftrieb bekommen. Viele Regierungen fürchten, sie könnten eines Tages ähnlich sanktioniert werden und wollen sich daher vorsorglich vom US Dollar unabhängig machen."