Vom 22. bis 24. Oktober trafen sich 36 Länder im Rahmen des BRICS+ Treffens in Kazan (Russland), um über wirtschaftliche Zusammenarbeit und eine neue multipolare Weltordnung zu diskutieren. Welche Aussichten hat das neue Projekt?
Von Andreas Männicke
Gegründet wurde die „BRIC“, damals noch ohne Südafrika, im Jahr 2006 mit den Ländern Brasilien, Russland, Indien und China. Im Jahr 2009 kann Südafrika hinzu und seitdem heißt das Bündnis nun „BRICS“. Die BRICS-Länder sind in der Summe 3,3 Mrd Menschen, haben eine Oberfläche von 38,3 Mio. Km (= 26% der Erdfläche), haben eine Wirtschaftskraft von 25,6 Bio. BSP (=36% des weltweiten BSP) und etwa 20% des weltweiten Handelsvolumens mit 4,8 Bio. USD-Exporten und 3,9 Bio. USD-Importen.
Das BIP pro Kopf ist mit im Durchschnitt 7861 USD sehr gering, aber ausbaufähig. Es handelt sich um demografisch günstige Länder aufgrund der jungen Bevölkerung, die ihre Zukunft sprichwörtlich noch vor sich hat. Der Anteil der Menschen mit einem Alter von über 65 beträgt nur 10%. Klimafreundlich sind die meisten BRICS-Länder aber nicht. Die BRICS vereinen gut die Hälfte der weltweiten CO2 Emissionen.
Bei einem Blick auf die BSP-Wachstumsraten sieht man, dass die BRICS zwar nicht mehr ganz so dynamisch wachsen wie von Goldman Sachs im Jahr 2001 angenommen, aber doch wesentlich mehr als die G7- Länder.
BSP-Wachstum im Jahr 2024 in %
Welt-Durchschnitt: 3,2
G7-Durchschnitt: 0,88
BRICS Durchschnitt: 3,6
Erweiterung der BRICS schon beschlossen
Anfang 2024 kamen als neue Mitglieder Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate hinzu, was nun BRICS Plus genannt wurde. In diesem Jahr haben nun Weißrussland (Belarus), die Türkei und sogar Palästina eine Mitgliedschaft beantragt, wobei eine Mitgliedschaft noch nicht offiziell beim Gipfel in Kazan verkündet wurde.
30 weitere Länder haben Interesse an der Mitgliedschaft bei den BRICS bekundet, darunter auch viele asiatische, südamerikanische und afrikanische Länder sowie Länder der GUS-Republiken. Als offizielle neue BRICS-Beitrittskandidaten bzw. neue „Partnerländer“ wurden in Kazan am 24. Oktober nun folgende Länder benannt: Kasachstan, Usbekistan, Weißrussland, Bolivien, Kuba, Indonesien, Malaysia, Thailand, Vietnam, Uganda, Nigeria und last not least die Türkei.
Dabei ist die Mitgliedschaft der Türkei als NATO-Mitglied und EU-Beitrittskandidat von besonderer Brisanz. Aber auch Serbien interessiert sich für eine BRICS-Mitgliedschaft und war in Kazan zugegen
Ein altes Investmentthema von Goldman Sachs wird reaktiviert
Für Goldman Sachs waren die Länder Brasilien, Russland, Indien und China die aussichtsreichsten Wachstumsländer mit enormem Potential. Später im Jahr 2009 kam dann Südafrika hinzu, wobei viele afrikanischen Länder jetzt dazu neigen, lieber mit China und Russland zu kooperieren als mit dem Westen. Südafrika ist als gewissermaßen nur ein Aushängeschild für Afrika, das nun sowohl vom Westen als auch den BRICS als sehr rohstoffreichen Region umworben wird.
Wird BRICS von Underperformer zum Outperformer?
Allerdings war die Performance der Börsenindices und auch nicht die wirtschaftliche Entwicklung der „BRIC(S). Länder, was sich Goldman Sachs im Jahr 2001 vorstellte und prognostizierte, was verschiedene Gründe hatte. Aber wenn diese Länder ihre eigenen Interessen in Zukunft nicht nur untereinander, sondern auch besser auf dem Weltmarkt durchsetzen können, werden diese Länder auch unter Investmentgesichtspunkten wieder interessanter, zumal die meisten Aktien relativ preiswert sind mit Ausnahmen von indischen Aktien, die schon seit Jahr sehr gut performen.
Westliche Medien diskreditieren die BRICS als „Autokraten-Treffen“
Neben den 7 größten Industrienationen wünschen sich andererseits aber auch viele andere Länder mit der Zusammenarbeit mit der „westlichen Welt“. So will Albanien in die EU und auch nur mit der EU zusammenarbeiten. Der albanische Ministerpräsidenten Edi Rama hält die BRICS für einen „Witz“. Westliche Medien bezeichnen die in der BRICS versammelten Länder als Schurkenstaaten oder Autokraten.
Der Ex-US-Präsident George Bush bezeichnete Länder, die mit den Iran zusammenarbeiten, als „Achse des Bösen“. Einige westliche Medien blisen ins gleiche Horn und sprachen von „westlichen Werten“, die verteidigt werden müssen. Ähnlich ist die Sprache, wenn es um die Ukraine-Krieg geht, wo die BRICS-Länder eine andere Haltung einnehmen als die G 7-Länder.
BRICS ist bei weitem keine homogene Gruppe
Wie schon erwähnt, ist die BRICS-Gruppe trotz des gemeinsamen Strebens gegen die westliche US-Vorherrschaft keine homogene Gruppe. China und Indien haben zum Teil erheblichen Differenzen und völlig verschiedene Interessen, wobei sie die Konflikte schon offen ausgetragen haben Es ist aber schon verwunderlich und bemerkenswert, dass es China gelang auch Saudi-Arabien und den Iran mit in den das „BRICS-Boot“ zu nehmen, die beide mit der US-Außenpolitik sehr unzufrieden waren, aber gegenseitig auch erhebliche Konflikte haben.
Wann kommt eine neue BRICS-Währung?
Die BRICS-Länder arbeiten nun daran, eine eigene Handelswährung bzw. Verrechnungseinheit namens „Unit“ zu etablieren, die schon im nächsten Jahr auf den Markt kommen soll. Sie sollten zu 60 Prozent goldgedeckt sein. Zu 40% bestehen aus Währungen, wobei keine Währung am Korb einen größeren Anteil als 30% haben darf. Die dominante Währung im Währungskorb wird der Renminbi sein.
Die neue Währung „Unit“ ist auch ein Symbol des Misstrauens gegen die USA und deren willkürliche Sanktionspolitik. Schon jetzt bemühen sich viele Länder ohne den US-Dollar auf bilateraler Basis mit eigenen Währungen zu kontrahieren, was aber nicht ganz so einfach ist, wenn sie nicht konvertierbar sind. In jedem Fall sollte die US-Dollar-Dominanz im internationalen Zahlungsverkehr abgebaut werden.
Wann wird das neue Zahlungsabwicklungssystem in der Praxis genutzt?
Es wurde auch schon ein eigenes Zahlungsabwicklungssystem entwickelt, das die Voraussetzung ist, um eine eigene „BRICS“-Währung auch handhabbar zu machen. Es ist zum Teil Blockchaine-basiert, muss in der Praxis aber noch erprobt werden, was noch einige Zeit benötigt. 159 Länder haben Interesse, an dem neuen Zahlungsabwicklungssystem teilzunehmen. Das neue Zahlungsabwicklungssystem heißt „Bridge“. Seit dem Ausschluss aus dem SWIFT wie beim IRAN und nun auch Russland, sind BRICS um eigene Zahlungsabwicklungsmöglichkeiten bemüht, auch um sich von den Sanktionen der USA und der EU zu schützen.
Inwiefern diese Maßnahmen wirksam und effizient sind, muss abgewartet werden. Auch werden Kryptowährungen bei diesen Ländern in Zukunft als Zahlungsmöglichkeit eine größere Rolle spielen. Es werden alternative Finanzierungsmechanismen entwickelt, die sich von der US-Abhängigkeit befreien. Zunächst soll es nach den Angaben von Putin aber kein eigenes Zahlungsabwicklungssystem der Mitgliedstaaten geben. Man werde zunächst die zur Verfügung stehenden Zahlungsabwicklungssysteme benutzen. Auch über eine geplante BRICS-Währung wurden in Kazan noch keine Details bekannt.
New Development Bank soll Finanzierung von „BRICS“-Projekten erleichtern
Zur Finanzierung von eigenen Projekten wurde die New Development Bank quasi als Gegenpol zur Weltbank und zum IWF gegründet. In den Vorstand der Bank wurde nun erstmals auch ein Russe gewählt. Viele Schwellenländer sind bei der Weltbank und dem IWF hoch verschuldet. Sie bekommen nur unter starken westlichen Auflagen neue Kredite.
Die New Development Bank hat aber nicht so viele Finanzmittel wie der IWF oder die Weltbank. Dennoch wurden schon einige Projekte damit finanziert. Für China das wichtigste Projekt ist das Seidenstraßen-Projekt, was ein Billionen-Infrastrukturprojekt ist, um verschiedene Länder mit China logistisch besser zu verbinden mit Häfen, Flughäfen, Bahnverbindungen und Straßen. Es ist schon sehr weit fortgeschritten, wurde durch den Ukraine-Krieg aber verzögert und zum Teil unterbunden.
BRICS besitzen viele Rohstoffe – vor allem aber Öl/Gas
Im August 2023 beschloss die BRICS-Gruppe sechs Nationen neu aufzunehmen und zwar: Ägypten, Iran, Saudi-Arabien, Äthiopien und die Vereinigten Arabischen Emirate, wobei der gleichzeitige Beitritt vom Iran und Saudi-Arabien als große Öl-/Gasförderländer besonders bemerkenswert ist. Saudi-Arabien wurde bisher aber nur eingeladen und ist noch nicht beigetreten.
Nach dem Beitritt wurde die wirtschaftliche Bedeutung der sogenannten BRICS Plus Länder immer größer. So haben die BRICS Plus Länder jetzt einen Anteil am BSP von 35%, einen Bevölkerungsanteil von 42%, bei der Ölproduktion und bei Warenexporten von über 20%. Dabei spielt die Zusammenarbeit bei den Energieprojekte und in der Landwirtschaft eine große Rolle.
So ist Russland der größte Weizenexporteur der Welt, was für Afrika eine große Rolle spielt. Die Agrarwirtschaft hat sich in den letzten Jahren in Russland sehr positiv entwickelt. Bei den meisten Agrarprodukten hat Russland jetzt einen sehr großen Selbstversorgungsgrad und ist nicht mehr vom Ausland abhängig.
De-Dollarisierung bleibt ein Thema bei den BRICS
159 Länder haben ein Interesse an einer De-Dollarisierung, um nicht abhängig von SWIFT zu sein. Dabei sollen auch Kryptowährungen und digitale Technologien eingebunden werden. An einer De-Dollarisierung sind aber vor allem China und Russland interessiert. Man darf gespannt sein, ob die BRICS-Währung im nächsten Jahr eingeführt wird und wie sie in der Praxis akzeptiert und benutzt wird.
Neu haben in diesem Jahr eine Mitgliedschaft bei den BRICS die Türkei und auch Palästina beantragt, was nicht ohne Brisanz ist, denn die Türkei ist ein NATO-Mitglied und Palästina wünscht sich schon lange eine eigene Souveränität. Dies bedeutet aber auch, dass sie dann später eine Unterstützung bei ihren eigenen Vorhaben von den BRICS erwarten dürfen und hier vor allem von China und Russland. Aber viele asiatische Länder wie Indonesien, Thailand und Malaysia wollen in die BRICS. Auch Weißrussland will nun in die BRICS, die ohnehin an der Seite von Russland stehen.
Was darf man von den BRICS in Zukunft erwarten?
Was darf man nun von den BRICS +-Staaten in Zukunft erwarten? Es ist zu erwarten, dass sich immer mehr Länder der BRICS+-Gruppe anschließen werden, was deren wirtschaftliche Bedeutung erhöht. Ob dies gleichzeitig mit einem schnellen Niedergang des Westens, vor allem der USA, einhergeht, ist wenig wahrscheinlich, aber der Westen steht vor neuen, großen Herausforderungen.
Man darf gespannt sein, ob BRICS Plus ein „zahnloser Tiger“ ist oder tatsächlich die G7 herausfordert, etwas umzudenken und in Kooperation zu treten oder gar den Machtkampf womöglich mit Waffen später austragen wird, wobei es im Kern um einen Machtkampf USA gegen China geht. Im nächsten Jahr wird ganz unabhängig davon wer die nächste US-Präsident am 5. November wird eine verschärfte Handelspolitik über erhöhte Zölle für von China zu stark staatlich subventionierten Produkten geben. Was wünschenswert wäre, ist ein fairer Wettbewerb zwischen den G 7 und den BRICS, der aber auch auf dem Schlachtfeld enden kann, wenn man nicht aufpasst und kompromissbereit ist.
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