War das der Beginn der Jahresendrally? NASDAQ-Party wie im Frühjahr 2000. Nicht alle Baissen werden durch Topformationen angekündigt. S&P 500 erreicht wichtige Widerstandslinie. Fast alle Bedingungen für ein Ende der Hausse sind erfüllt.
Von Claus Vogt
Überbewertet, überkauft und überbullish
Das aktuelle Geschehen an den Aktienmärkten ähnelt den Vorgängen des Jahres 2000 immer mehr. Das habe ich in der gerade erschienenen November-Ausgabe meines Börsenbriefes Krisensicher Investieren ausführlich thematisiert. Wie im Jahr 2000 sind die Märkte heute extrem überbewertet und in allen relevanten Zeitfenstern überkauft, während die Sentimentindikatoren überschäumende Börsen-Euphorie widerspiegeln.
Besonders brisant wird dieses Gemisch, weil die US-Zentralbank längst damit begonnen hat, die Zinsen anzuheben. Denn in der Vergangenheit führten fast alle Zinserhöhungszyklen zu Rezessionen und Aktienbaissen – sogar, wenn die fundamentale Bewertung im Unterschied zu heute moderat gewesen ist.
NASDAQ-Party wie im Frühjahr 2000
Was sich vorige Woche an der NASDAQ abgespielt hat, glich tatsächlich einem der wildesten Tage des Frühjahrs 2000, das heißt am Höhepunkt der Technologieblase und kurz bevor die große Baisse begann, in deren Verlauf der NASDAQ 100 Index um 83% fiel. Konkret haben Ende voriger Woche die Aktien der Tech-Giganten Google, Amazon, Microsoft und Intel auf die Bekanntgabe ihrer Quartalsergebnisse mit Kurssprüngen von 4,8%; 13,2%; 6,4% und 7,4% reagiert.
Der NASDAQ 100 Index legte um 2,9% zu – während es beim Dow Jones Industrial Average nur zu einem marginalen Gewinn von 0,14% gereicht hat. Solche Kurssprünge und gleichzeit sichtbar werdende Diskrepanzen zwischen den Indizes gab es zuletzt im Jahr 2000. Allerdings hießen die Börsenlieblinge damals AOL, Compaq und Yahoo.
Amazon übertrifft drastisch gesenkte Erwartungen
Dabei sind die Quartalsberichte im Technologiesektor alles andere als spektakulär ausgefallen, wie das Beispiel Amazon besonders drastisch zeigt. Vor einem Jahr belief sich die Gewinnschätzung für das 3. Quartal 2017 auf 2 $ pro Aktie. Anfang des Jahres wurde nur noch 1,50 $ erwartet, vor drei Monaten noch 1 $ und vor vier Wochen sogar nur noch 0,25 $. Jetzt hat das Unternehmen einen Quartalsgewinn von 0,50 $ bekanntgegeben – und die euphorisierten Börsianer sehen darin in riesigen Erfolg und treiben den Kurs der Aktie auf ein neues Allzeithoch.
Dass der operative Gewinn des Unternehmens um 40% zurückgegangen ist, spielt für diese Aktienkäufer offensichtlich keine Rolle. Auch das kennen wir natürlich aus dem Jahr 2000. Damals zählten manche Analysten Klickraten, um Unternehmen zu „bewerten“ und Kaufempfehlungen trotz absurder Überbewertungen zu begründen.
War das der Beginn der Jahresendrally?
Vor allem aus charttechnischer Sicht stellt sich nach solchen Kurssprüngen die Frage, ob sie den Beginn einer Beschleunigungsphase nach oben signalisieren oder das euphorische Ende einer Hausse.
Für den Beginn einer Beschleunigungsphase spricht vor allem die Jahreszeit. Denn von November bis Januar sind Aktienkurse meist recht deutlich gestiegen. Deshalb wird auch jetzt wieder allgemein eine Jahresendrally erwartet. Zwar wissen alle Analysten und institutionellen Anleger um die extreme Überbewertung der Märkte. Aber je länger diese anhält, desto weniger Bedeutung wird ihr beigemessen.
Ein weiteres Argument ist die bisher nicht vorhandene Topformation bei den wichtigen Indizes. Tatsächlich wurde der Beginn der meisten Baissen durch Topformationen angekündigt, die mehrere Monate gedauert haben. Davon ist bisher nichts zu sehen. Also volle Fahrt voraus?
Nicht alle Baissen werden durch Topformationen angekündigt
Ganz so einfach ist die Sache nicht. Denn ausgerechnet einige der schlimmsten Baissen sind diesem Muster einer mehrmonatigen Topformation nicht gefolgt. Das gilt insbesondere für die NASDAQ im Jahr 2000. Eine Topformation wurde hier erst sichtbar, nachdem die Kurse bereits um 40% gefallen waren. Insgesamt gingen sie damals - wie bereits erwähnt - um 83% zurück.
Auch die schwere Baisse, die sich an die Exzesse des Jahres 1929 anschloss, erfolgte gewissermaßen aus dem Stand und ohne Topformation. Damals betrug der anschließende Kursrückgang sogar 89%.
S&P 500 erreicht wichtige Widerstandslinie
Werfen Sie nun einen Blick auf den folgenden Wochenchart des S&P 500. Er zeigt Ihnen den Verlauf der Hausse, die in 2009 begonnen hat. Diese kann in drei große Aufwärtswellen zerlegt werden, die durch zwei ausgeprägte Korrekturen abgegrenzt werden. Letztere dienen dazu, den eingezeichneten Trendkanal zu konstruieren. Wie Sie sehen, befindet sich der Index derzeit an der oberen Begrenzung dieses Kanals.
S&P 500, Wochenchart mit Trendkanal, 2008 bis 2017
Der Index notiert am Widerstand seines langfristigen Trendkanals. Quelle: StockCharts.com
Wenn Sie ganz genau hinschauen, erkennen Sie, dass die Kurse sogar leicht über diese Linie gestiegen sind. Damit zeigt der S&P 500 einen „throw-over“. So nennen Charttechniker den von großer Euphorie getriebenen Anstieg über die obere Begrenzung eines Trendkanals. Häufig signalisiert ein solcher „throw-over“ das Ende einer langanhaltenden Aufwärtsbewegung. Deshalb wäre es ein bearishes Signal, wenn der Index demnächst wieder unter diese Linie zurückfallen sollte.
Fast alle Bedingungen für ein Ende der Hausse sind erfüllt
Wie oben bereits angemerkt, spricht die extreme Euphorie, die von den Sentimentindikatoren widergespiegelt wird, ebenso für eine Baisse wie die in allen relevanten Zeitfenstern überkaufte Markttechnik. Das gilt natürlich auch für die Zinsanhebungen der Fed und deren Ankündigung, die Bilanzsumme zu reduzieren.
Überbewertet, überkauft und überbullish, das Ganze vor dem Hintergrund steigender Zinsen. Das war in der Vergangenheit stets das Gemisch, aus dem schwere Baissen hervorgegangen sind. Diese Regel wurde ausschließlich im laufenden Zyklus verletzt, wofür wahrscheinlich die umfangreichen Anleihenkäufe der Fed verantwortlich waren. Diese wurden inzwischen aber nicht nur beendet; es wurde auch damit begonnen, die Bilanzsumme der Fed zu reduzieren. Trotz dieser offensichtlichen Änderung der Rahmenbedingungen bleiben die meisten Marktteilnehmer rundum bullish.
Mir ist das Verlustrisiko an den Aktienmärkten aufgrund der hier beschriebenen Konstellation viel zu groß. Anstatt auf dem brodelnden Vulkan absurd überbewerteter Aktienmärkte zu tanzen, halten wir lieber Ausschau nach Anlagemöglichkeiten, die sich durch attraktive Chance-Risiko-Verhältnisse auszeichnen. Informieren Sie sich, und testen Sie noch heute Krisensicher Investieren – 30 Tage kostenlos.
P.S.: Die Tesla-Aktie, einer der Börsenlieblinge der vergangenen Jahre, zeigt übrigens schon eine sehr bedenkliche Topformation.