Die EEG-Umlage wurde in diesem Jahr um Bruchteile eines Cents reduziert. Die Stromkosten steigen jedoch durch den Ausbau der Ökostromanlagen weiter.
Von Prof. Dr. Ing. Hans-Günter Appel
Es wird immer schwieriger, die wachsenden Mengen des vom Wetter abhängigen stark schwankenden Ökostroms zu beherrschen. Physikalische Grenzen sind erreicht oder schon überschritten. Der technische und finanzielle Aufwand wird immer größer, um die gesetzliche Vorgabe zu erfüllen, Ökostrom bevorzugt in das Netz einzuspeisen.
Ökostrom-Dumping
Der vom Wetter bestimmte, stark schwankende Ökostrom hat keinen Wert, weil er nur selten die Nachfrage erfüllt und keine Netzstabilisierungsfunktion enthält (Momentanreserve). Dieser Wackelstrom wird daher zu jedem Preis an der Börse abgesetzt, im Mittel mit 11,5 Prozent der nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) festgelegten Einspeisevergütung. Die Verluste von fast 90 Prozent oder mehr muss der Stromkunde als EEG-Umlage bezahlen.
Der ständige Verkauf von Waren unter den Gestehungspreisen ist Dumping und wird national und weltweit geahndet. Kurzfristig kann sich der Verbraucher zwar über geringe Dumpingpreise freuen. Doch der Verkäufer wie auch die Wettbewerber machen keine Gewinne mehr. Sie müssen aufgeben oder werden in die Insolvenz getrieben, bis nur noch der Finanzstärkste übrig ist. Der hat dann ein Monopol, kann die Preise beliebig heraufsetzen und die Kosten für die Weiterentwicklung einsparen. Damit erhält der Verbraucher schlechte Ware zu überhöhten Preisen.
Die niedrigen Dumpingpreise führen zu Verlusten der konventionellen Kraftwerke mit der Folge, abgeschriebene Kraftwerke mit niedrigem Wirkungsgrad, also höherem Brennstoffverbrauch, als geringste Verlustbringer am Netz zu lassen. Längerfristig müssen jedoch neue Kraftwerke gebaut werden, die viel Geld kosten. Die Schäden durch das Ökostrom-Dumping überschreiten auch die Grenzen.
Unsere Nachbarländer leiden gleichfalls unter den unwirtschaftlich niedrigen Preisen. Der größte Stromerzeuger der Schweiz hat musste die Dividenden für die nächste Zeit streichen. Die deutsche Energiewende führt so auch zu Schäden in anderen europäischen Ländern. Es ist unglaublich, Deutschland führt per Gesetz Ökostrom-Dumping ein und das Wirtschaftsgefüge leidet. Doch weder das Kartellamt noch die Europäische Union schreiten ein. Im Gegenteil. Viele Politiker loben diese Aktion als vorbildlich.
Zurzeit haben die Betriebe, die von der EEG-Umlage befreit sind, einen Vorteil von der deutschen Dumping-Aktion. Sie kaufen ihren Strombedarf billig zu Dumping-Preisen an den Börsen ein. Dies erklärt wohl den geringen Widerstand der Industrieführung gegen die Energiewende.
Negative Börsenpreise
Windkraft- und Fotovoltaik-Anlagen haben in Deutschland inzwischen eine installierte Leistung von rund 100.000 Megawatt erreicht bei einem Leistungsbedarf je nach Tages- und Wochenzeit von 40.000 bis 85.000 Megawatt. Es liegt auf der Hand, bei niedrigem Bedarf und gleichzeitig Starkwind und Sonnenschein wird immer häufiger mehr Ökostrom produziert als nachgefragt.
Da es bis heute keine wirtschaftlichen und ausreichend großen Stromspeicher gibt und auch für die überschaubare Zukunft nicht geben wird, muss der Überschussstrom in irgendeiner Weise entsorgt werden. Er wird dann an den Strombörsen zur Vernichtung gegen Zuzahlung angeboten.
Weihnachten und zum neuen Jahr gab es solche Überschüsse durch starke Winde. Die Entsorgung kostete mehr als 50 Millionen Euro. Im Jahr 2017 summierten sich die Zahlungen insgesamt auf etwa 200 Millionen Euro, die auf die Stromkunden abgewälzt wurden.
Entschädigung für Abschaltung
Die Entsorgung des Überschussstromes wird immer schwieriger. Es ist einfacher und wirtschaftlicher, diesen Strom gar nicht erst zu erzeugen. So werden seit einiger Zeit bei Starkwind und Sonnenschein immer mehr Ökostromanlagen abgeschaltet. Die Betreiber stört das wenig, denn sie erhalten eine Entschädigung für den nicht benötigten und nicht gelieferten Strom in Höhe von 90 Prozent der Vergütung.
Die Entschädigungen steigen mit jedem weiteren Ausbau von Ökostromanlagen und nähern sich der Milliardengrenze jährlich. Ökostromerzeuger haben es gut. Der Bäcker, der über den Bedarf hinaus Brötchen gebacken hat, bleibt entschädigungslos darauf sitzen.
Regelaufwand
Die Stromabnahme ist sehr unregelmäßig. Sie schwankt nicht nur zwischen Tag und Nacht, sondern immer, wenn ein Stromverbraucher ein- oder ausgeschaltet wird. Leichte Spannungsschwankungen verkraftet das Netz. Doch es müssen immer Kraftwerke unter Dampf stehen, die bei Bedarf kurzfristig Strom in das Netz einspeisen. Dies sind Regelkraftwerke.
Ohne den wetterwendischen Ökostrom musste nur der schwankende Bedarf befriedigt werden. Der Aufwand dafür lag bei 100 Millionen Euro im Jahr.
Mit der Energiewende müssen nun zusätzlich die viel größeren Schwankungen des Ökostroms mit eingeregelt werden. Der Aufwand steigt dadurch enorm. Allein Tennet, einer der vier Übertragungsnetzbetreiber, die für die Regelung zuständig sind, hat inzwischen Kosten von fast einer Milliarde Euro im Jahr. Der gesamte Regelaufwand dürfte bei mehr als zwei Milliarden liegen.
Reservekraftwerke
Aus Sicherheitsgründen standen in Deutschland immer einige Kraftwerke unter Dampf, die einspringen konnten, wenn ein Kraftwerk oder eine große Überlandleitung ausfiel. Da wegen des Ökostromdumpings heute kein Geld mehr für diese Ersatzkraftwerke vorhanden ist, werden sie abgeschaltet. Ökostrom soll ja die Versorgung so weit wie möglich übernehmen.
Doch was macht man im Winter bei nebligem Hochdruckwetter ohne Wind? Dann gibt es keinen Ökostrom. Konventionelle Kraftwerke müssen wieder übernehmen. Hierzu gibt es ein neues Verfahren. Die Kaltreserve oder Sicherheitsbereitschaft. Es werden Kohlekraftwerke stillgelegt.
Der Betreiber hat jedoch die Auflage, die Anlage betriebsbereit zu halten, damit sie in spätestens einer Woche wieder am Netz ist. Es dauert drei bis sieben Tage, um ein kaltes Kraftwerk wieder anzufahren.
Als erstes Kraftwerk wurde 2016 das 352-MW-Kraftwerk Buschhaus bei Helmstedt in die Sicherheitsbereitschaft überführt. Der Eigentümer, der ostdeutsche Braunkohleförderer Mibrag, erhält seit Oktober 2016 von dem Netzbetreiber Tennet einen monatlichen Vergütungsabschlag von 4,3 Millionen Euro, der an die Mibrag-Tochtergesellschaft Helmstedter Revier gezahlt wird, die Buschhaus betreibt.
Dieser Betrag erhöht die Stromkosten weiter, ohne Strom zu liefern. Insgesamt wird die geplante Sicherheitsbereitschaft nach einem Bericht der VDI-Nachrichten 1,61 Milliarden Euro im Jahr kosten. Das sind Mehrkosten für jeden Bundesbürger von 20 Euro im Jahr. Dies scheint nicht sehr viel zu sein. Doch mit diesem Betrag könnten Braunkohle-Kraftwerke planungssicher mehr Strom erzeugen als 10.000 Windgeneratoren.
Netzausbau
Die Medien berichten fast täglich über die Forderungen, Stromtrassen aus dem Norden in den Süden von Deutschland zu bauen, um den überschüssigen Windstrom von den Küstengebieten zu den Verbrauchern in Bayern und Hessen zu leiten. Bürgerinitiativen machen Front gegen die siebzig Meter hohen Leitungen.
So hat die Politik zugestimmt, die Trassen weitgehend als Erdkabel zu bauen. Ein Kilometer Überlandleitung kostet rund eine Million Euro. Die Verkabelung ist siebenmal so teuer. Eine Trasse von 500 Kilometer Länge kostet so statt 500 Millionen dann 3,5 Milliarden Euro. Hinzu kommen noch Transformatoren und Gleichrichter in den Umspannwerken an beiden Leitungsenden, die nochmals viele hundert Millionen kosten.
Den Stromtransport gibt es nicht zum Nulltarif. Die Leitungen werden bei voller Übertragungsleistung über 60 Grad Celsius warm. Als Faustformel gilt ein Stromverlust von 10 Prozent einschließlich der Umformer Verluste. Eine Verteuerung um weitere 10 Prozent kommt zu den hohen Leitungskosten noch hinzu. Stromüberschuss im Norden gibt es nur bei stärkeren Winden, die weniger als ein Viertel der Jahresstunden wehen. Die teuren Leitungen werden also nur sporadisch voll genutzt. Auch dies macht den Strom teurer.
Grundlast
Deutschland soll im Jahr 2050, also in gut 30 Jahren nahezu vollständig mit Ökostrom versorgt werden. Die Energieexperten vom Stromverbraucherschutz NAEB e.V., die über Jahrzehnte für die Stromversorgung in Deutschland verantwortlich waren, sagen uns jedoch, dies sei nicht möglich. Es gelingt nicht, die fast 30.000 Windgeneratoren und 1,5 Millionen Solaranlagen zu synchronisieren.
Schon kleinste Abweichungen von der Sollfrequenz und der Phasenlage der einzelnen Anlagen führen zu einem Wellensalat. Das Netz bricht zusammen. Selbst die Synchronisierung der rund hundert Großkraftwerke mit riesigen Schwungmassen ist nicht ganz einfach. Die kleinen Ökostromanlagen können sich nur an dieses stabile Netz anhängen. Ein stabiles Netz braucht eine Grundlast von 45 % aus den synchronisierten Großkraftwerken.
Am Neujahrsmorgen soll Deutschland aber nach Zeitungsberichten fast ganz mit Ökostrom versorgt worden sein. Wie passt das zusammen? Es gibt ein europäisches Verbundnetz. Ökostrom wurde in den fraglichen Stunden zu einem erheblichen Anteil in das angrenzende Ausland geschickt.
Weiter stabilisierten die Netze der angrenzenden Länder, die kaum Ökostromanlagen haben, das deutsche Netz. Wir haben bereits heute immer öfter und immer länger Ökostrommengen, die wir unter Zuzahlung entsorgen müssen und die eine Gefährdung der Netzstabilität sind. Trotzdem sollen die Ökostromanlagen noch verdreifacht werden. Dies ist wirtschaftlicher und technischer Unsinn.
Staatliche Stützung
Die bisher aufgeführten Kosten müssen weitgehend von den Stromkunden über einen ständig steigenden Strompreis bezahlt werden. Auch wird die Energiewende, die auf der Behauptung beruht, das Klima retten zu müssen, von staatlicher Seite auf vielfache Weise mit Steuergeldern vorangetrieben.
Wenn es um Klimarettung und Energiewende geht, fließen reichlich Steuergelder aus vielen ganz unterschiedlichen Ministerien. Bundes- und Landesministerien und Kommunalverwaltungen beschäftigen Klima- und Energiebeauftragte. Zur Durchsetzung der Energiewende wurden große Abteilungen aufgebaut in Wirtschaftsministerien, Umweltministerien, Wissenschaftsministerien und Schulministerien.
Zum Teil werden hier gleiche Aufgaben parallel behandelt. Vergrößert wird der Aufwand durch eine Reihe von Bundesämtern. Dieser riesige Verwaltungsapparat kostet selbst bereits viel Geld. Doch er verteilt noch viel mehr Steuergelder.
Für Forschungen auf dem Gebiet der regenerativen Energien werden Subventionsgelder bewilligt. Das Geld bekommen Forschungsinstitute wie das Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme in Bremerhaven, das Energie-Forschungszentrum Niedersachsen, die Agora Energiewende in Berlin, das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und viele andere weitgehend direkt oder indirekt aus Steuergeldern.
Für den Bau von Ökostromanlagen gibt es verlorene Zuschüsse und verbilligte Darlehen. Der Bundesrechnungshof hat die unübersichtliche Förderung und die häufig nicht vorhandene Kontrolle des Förderungserfolges deutlich kritisiert. Etwa 25 Milliarden Euro jährlich werden als Kosten zur Förderung der Energiewende geschätzt. Genaue Zahlen hat auch der Rechnungshof nicht ermitteln können.
Nach diesen Zahlen kostet uns die Energiewende gut 50 Milliarden Euro im Jahr mit der Aussicht steigender Kosten bei zunehmender Instabilität unseres Stromnetzes. Es wird dringend Zeit, diesen Irrweg zu beenden. Unsere Stromversorgung sollte auf sauberen und effizienten Kohlekraftwerken basieren. Durch Effizienzsteigerungen können wir den Ökostrom ersetzen, ohne den Brennstoffverbrauch zu erhöhen. Dieser Weg ist sinnvoll.