Letzte Woche haben Tiefschläge die Finanzmärkte erschüttert. Wichtige Frage bei Börsianern: Harmlose Korrektur oder der Anfang vom Ende?
Von Robert Schröder
Der Ausverkauf an den Börsen bei DAX & Co. in der letzten Woche hat viele Anleger und auch Profis eiskalt erwischt. Außer natürlich diejenigen, die bereits seit Jahren in regelmäßigen Abständen gebetsmühlenartig vor dem ganz großen Crash warnen. Jetzt ist aber ihre Chance und ihre Zeit gekommen! Gestiegene Zinsen bzw. die Zins-Sorgen waren das bestimmende Thema in der letzten Woche.
Doch es gibt auch Stimmen, wie zum Beispiel die von Herrn Stefan Bielmeier von der DZ Bank, die das Ganze eher nüchtern und mit etwas Abstand betrachten und derzeit kaum Risiken für einen neuen Bärenmarkt sehen. Was stimmt nun? Hat der Crash bereist begonnen oder war das lediglich die seit vielen Wochen fällige Korrektur?
Ja, in der Überschrift steckt etwas Ironie. Wenn man jetzt in diesen Tagen vom großen Crash liest, der direkt vor der Tür stehen soll, sollten alle Alarmglocken schrillen. Nicht wegen des drohenden Crashs, sondern eher wegen des Zeitpunkts und der Rahmendaten. Besonders zwei Fakten in Bezug auf den US-Aktienmarkt sollten Crash-Prediger jetzt auf dem Schirm haben:
- Die Volatilität (VIX/”Angst-Index”), die in der letzten Woche auf 50 explodiert ist und damit genau in den Widerstandsbereich der letzten Jahre “reingeschossen” ist. Zum Wochenende war dann jedoch mit Notierungen unter 30 die Panik schon ein großes Stück wieder aus dem Markt entwichen.
- Der berühmte Fear & Greed Index von CNN ist letzte Woche auf zeitweise auf 8 abgestürzt, was ebenfalls nackte Angst und Panik impliziert.
Allein diese beiden Punkte lassen daher zum aktuellen Zeitpunkt an der Theorie des ganz großen Crashs ernsthaft zweifeln.
Schüren Banken und Medien bewusst Angst?
Aber auch durch Berichte wie “Weltgrößter Hedgefonds wettet auf DAX-Absturz” werden Anleger natürlich extrem, bewusst oder unbewusst, verunsichert. Wenn der größte Hedgefonds der Welt auf einen weiteren DAX-Crash setzt, wird das schon richtig sein, oder?
Zusätzlich tragen auch Banken in diesen Tagen nicht gerade dazu bei die Stimmung zu stabilisieren: “Mit weiteren Beben ist jederzeit zu rechnen“, glaubt beispielsweise Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Er urteilt: „Die Aktienmärkte sind auf der Suche nach einem neuen Gleichgewicht. Dieser Prozess wird einstweilen anhalten.“. Aha, ein neues Gleichgewicht also … Allgemeiner und schwammiger hätte man es kaum formulieren können …
Charttechnik gibt ganz konkrete Anhaltspunkte
Wenn man so will, wurde das von Herrn Halver angesprochene Gleichgewicht mit dem Tief vom 9. Februar jetzt aber wieder hergestellt . Das lässt sich das besonders im folgenden Tages-Chart des Dow Jones Index erkennen:
Seit Anfang 2016 steigt/stieg der Dow Jones in “geordneten Bahnen” bzw. innerhalb eines Trendkanals. Genau die untere Linie dieses Kanals wurde nun mit 23.260 Punkte direkt getestet. Und prompt fasten sich dort die ersten Anleger und Trader wieder ein Herz und zogen den Dow Jones zeitweise über 1.000 Punkte nach oben.
Die Tageskerze vom Freitag hat damit Umkehrcharakter. In Kombination mit dem fast erreichten 38,2 % Korrektur-Retracement und der anderen “kleineren” diagonalen Unterstützung, wurde der übergeordnete Trend also mustergültig verteidigt. Was will man also mehr? Sofern jetzt also die jüngsten Tiefs bei Dow Jones nicht mehr unterboten werden, besteht ab jetzt die Chance einer knackigen Rally bis hin zu neuen Rekordhochs auf das Niveau der oberen Trendkanalline bei ca. 27.000/27.500.
Beim DAX ergibt sich auch ein sehr ähnliches Bild. Auch wenn die letzte Einschätzung vom 4. Februar nicht aufging und vom Ausverkauf “überrollt” wurde, so ist das grundsätzlich bullische Setup auch heute noch aktuell. Hier sind es sogar mehr Punkte, die für neue Hochs bis ca. 14.000 sprechen:
DAX: Es ist und bleibt eine Korrektur
Besonders wichtig ist hier der noch unfertige 5-teilige Aufwärtsimpuls nach Elliott Wave seit Anfang 2016. Die schon vor einer Woche angesprochene Korrekturwelle 4 hat sich preislich nach unten ausgedehnt. Unterm Strich bleibt es jedoch eine ABC-Korrektur seit dem Novemberhoch 2017!
Zwar wurde beim DAX der Trendkanal nach unten durchbrochen, doch besonders die positive Divergenz beim RSI im Zuge des weiteren Ausverkaufs am Freitagabend, das perfekte Erreichen der Welle iv der 3 und das Intraday-Reversal nach dem “Abtesten” einer wichtigen Unterstützungszone seit März 2017 wiegen hier deutlich schwerer und deuten auf eine Trendwelle im Rahmen der Welle 5 auf ca. 14.000 hin.
Und die 200-Tage-Linie? Ja, sie wurde natürlich deutlich unterboten. Doch bedenken Sie: diese Durchschnittslinie ist so träge, dass es wahrscheinlich wochenlang Kurse unter 12.000 benötigen würde, damit sie auch nur ansatzweise nach unten drehen würde. Daher würde ich ihr keine allzu große Bedeutung schenken.
Fazit: Auch wenn die letzte Woche zum Teil historische Ausmaße angenommen hat, so mehren sich die Hinweise, dass dieser heftige Ausverkauf lediglich eine Korrektur im nach wie vor intakten Aufwärtstrend war. Crash-Fetischisten hatten kurzzeitig Hochsaison und werden wohl in den nächsten Wochen wieder von der Bildfläche verschwinden. Doch bereits mit den angesprochenen möglichen Rekordhochs bei DAX und Dow, könnten sie schnell wieder ihr Comeback bekommen.
Dann nämlich, wenn die Welle 5 des laufenden Aufwärtszyklus (speziell beim DAX) fertig ist. Dann geht es anschließend nämlich nicht nur um den Trend seit 2016, sondern auch seit 2009! Die dann einsetzende wirklich große Korrektur wird dann deutlich heftiger, als das, was in den letzten Wochen passiert ist. Um also an die Überschrift anzuknüpfen: Der ganz große Crash hat noch nicht begonnen, könnte seine ersten Ausläufer allerdings noch in 2018 zeigen.
Offenlegung gemäß §34b WpHG wegen möglicher Interessenkonflikte: Der Autor ist in dem besprochenen Wertpapier derzeit nicht investiert. Die bereitgestellten Informationen spiegeln lediglich die persönliche Meinung des Autors wider, stellen keine Anlageberatung oder Aufforderung zu Wertpapiergeschäften dar und können eine individuelle anleger- und anlagengerechte Beratung nicht ersetzen.