Wer keine Anlagestrategie hat, sollte für seinen Aktienbestand einen 50%igen Kursrückgang errechnen. Wem der Atem stockt, hat einen zu hohen Aktienanteil. Ein Vorgeschmack war der 13%-Rückschlag in 2 Monaten seit dem Alltime-High Ende Januar.
Von Rolf Ehlhardt
Sind Sie auf ein Ende der Aktienrallye vorbereitet? "Aber wieso Ende?", werden viele fragen, es läuft doch gerade so gut. Außerdem sind Aktien alternativlos. Und wohin soll das viele Geld denn fließen, wenn nicht in Aktien. Alles richtig. Aber „vorbereitet“ heißt nicht: Alles muss raus. Wir sind an der Börse und nicht im Schlussverkauf.
Darauf vorbereitet bedeutet: Stimmt mein Aktienanteil des Vermögens mit dem prozentualen Anteil meiner ursprünglichen Gesamtstrategie überein. Vorbereitet sein heißt, ist der Aktienbestand höher als in der Strategie vorgesehen, dann sollte der Anleger die Anpassung jetzt vornehmen. Zumindest in der nächsten Aufwärtsphase, die ich mir im April vorstellen kann.
Wer keine Anlagestrategie hat, sollte für seinen Aktienbestand einen 50%igen Kursrückgang errechnen. Wem der Atem stockt, hat einen zu hohen Aktienanteil. Ein Vorgeschmack war der 13%-Rückschlag in 2 Monaten seit dem Alltime-High Ende Januar. In 2018 liegen derzeit nur der Öl- und der Goldpreis im Plus.
Dieser permanent auftretende strategische Fehler führt immer wieder zu herben Enttäuschungen und dann zu fatalen Fehlentscheidungen. Der Anleger lässt sich von Zeitungs- und Fernsehberichten leiten, wobei klar sein muss, dass die guten Wirtschaftsberichte stets die Vergangenheit betreffen und damit an der Börse meist eingepreist sind. Risikohinweise für die Zukunft werden nicht ernst genommen und die eigene Fähigkeit, hohe Kursrückgänge zu ertragen, wird oft maßlos überschätzt. Wenn die Party am schönsten ist, fangen die Feinfühligen an zu frösteln.
Denn es gibt durchaus ernst zu nehmende negative Meldungen. So gehen die Auftragseingänge zurück. Wird das zum Trend, ist Vorsicht geboten. Der IFO-Geschäftsklima-Index sinkt zum dritten, die Konjunktur-Erwartungen zum vierten Mal. Das Institut für Wirtschafsforschung in Halle zweifelt am Fortbestand der derzeitigen Hochkonjunktur. Besonders fehlende Kapazitäten könnten das Wachstum bremsen. Sie schätzen ein Wachstum für 2019 von 1,6% nach 2,2% für dieses Jahr. Aber das wäre noch kein Beinbruch.
Gefahr: Schulden und Zinsen
Die größten Gefahren liegen im Bereich der Schulden und damit der Zinsentwicklung. So wiesen in den USA sowohl die Scheckkarten-, als auch die Auto- und Studentenkredite neue Höchststände aus. Ebenso die auf Kredit gekauften Aktien.
In den Bilanzen der europäischen Banken schlummern fast 1 Billion an notleidenden Krediten. Den höchsten Anteil haben die ohnehin schon problematischen Länder wie Griechenland, Zypern, Portugal und Italien. Der Berg an faulen Krediten ist höher als vor der letzten Finanzkrise. Das bedeutet nicht nur Risiko für die betreffenden Banken, sondern hindert auch an der Kreditvergabe an solide Kunden. Dass die FED die Zinsen noch einmal erhöht hat (auf immer noch historisch niedrigem Zinsniveau), könnte auch heißen, sie hat sich die Möglichkeit geschaffen, bei Wirtschaftsschwäche die Zinsen wieder zu senken.
Zinserhöhungen = Unternehmenspleiten
Aber auch in Deutschland könnten Kredite zum Fallbeil werden. So berichtet eine Studie der Auskunftei Creditreform davon, dass jedes 5. Deutsche Unternehmen in Insolvenz gehen müsste, wenn die Zinsen um 1,5% steigen und die Gewinne um 20% zurückgingen. Der größte unabhängige Vermögensverwalter Flossbach-von Storch hat sie vor kurzem als Zombieunternehmen betitelt.
Letztendlich ist der größte Teil der wirtschaftsstärksten Staaten mit über 100% ihres BIP verschuldet. Diese Verschuldungen insgesamt bedeuten einerseits, dass eine Zinswende, die den Namen verdient hätte, überhaupt nicht finanzierbar wäre. Andererseits aber auch, steigen die Kreditzinsen an den Märkten (obwohl das die Notenbanken verhindern wollen) höher als verkraftbar, dann werden die Auswirkungen die gesamte Welt in Trubel stürzen.
Achten Sie also nicht nur auf die KGV´s, die Währungen und die Wirtschaftsmeldungen. Beobachten Sie vor allem die Zinsen! Weiter steigende Zinsen wären Gift für den Aktienmarkt.
Die 10-Jahreszinsen in den USA haben sich seit Sommer 2017 schon verdoppelt (von 1,40% auf 2,80%), befinden sich aber noch immer unter der als kritisch angesehenen Marke von 3%. Die „America first-Politik“ von Trump hat dazu geführt, dass China und Russland US-Staatsanleihen verkaufen. Sollte er die Zollpläne gegenüber China umsetzen, könnte der größte Gläubiger der USA verstärkt seine Bestände abbauen und für weitere Zinssteigerungen sorgen. Noch einmal: Achten Sie auf die Zinsentwicklung!
Risikofaktor Politik
Auch die politischen Entwicklungen sind Besorgnis erregend. Die Zollpolitik der USA, die Gegenreaktionen der Europäer. Nun will sich Trump mit den Chinesen anlegen. Wirtschaftsmachtkämpfe haben bislang immer Wachstum gekostet.
Die Schuldentransferunion in den Euro-Staaten wird besonders Deutschland treffen, derzeit die Wachstumslokomotive. Prof. Sinn sprach es jüngst im Fernsehen deutlich aus. Aber keiner hört´s. Auch hat man das Gefühl, dass die Haltung des Westens zu Russland von der amerikanischen Waffenlobby diktiert wird. Den europäischen Politikern ist offensichtlich nicht klar, dass eine militärische Auseinandersetzung mit Russland Europa treffen würde, nicht die USA. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Was tun?
Der besonnene Anleger nutzt die hohen Aktienkurse, um die Kursrisiken den persönlichen Bedürfnissen anzupassen. Wer bei einer Kurshalbierung 70% Aktien hält, verliert 35% seines Vermögens. Sind es 40% Anteil, verliert er „nur“ 20%. Wer einen Edelmetallbestand von 20% hält, der sich in diesem Szenario verdoppeln könnte, hat im Crash nichts verloren.
Strategie geht aktuell vor Renditeoptimierung. Kräftige Kurskorrekturen kündigen sich nicht an (an der Börse wird nicht geklingelt), kommen oft aus dem Nichts und überraschen in ihrer Heftigkeit. Die maßlose Ausweitung der Geldmenge, die unverantwortliche Höhe der Derivate beinhalten das immense Risiko einer nie gekannten Volatilität, verstärkt durch Liquiditätsknappheit, ausgelöst durch die unbeherrschbaren Volumina.
Die Hausse stirbt meist in der Euphorie bzw. in der Angstlosigkeit. Das eine oder andere technische Warnsignal hat der Markt schon gesendet. Und an Gewinnmitnahmen wurde noch niemand arm.