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AfD MdB für Todesstrafe? Eine Meldung und ihre Geschichte

Der AfD-Bundestagsabgeordnete und frühere Staatsanwalt Thomas Seitz hat auf Facebook eine Aufhebung des Verbots der Todesstrafe im Grundgesetz angeregt. Die Medien skanalisieren die Äußerung, die als Provokation gemeint war. Nun äußert sich Seitz erstmals selbst zu seinem Posting.

 
Stellungnahme Thomas Seitz:
 
Der 19-Uhr-Post am 29.12.2018 auf meiner persönlichen Facebook-Seite war kurz und bündig: „Für solche Fälle braucht es einer wirksamen Abschreckung. Dafür darf eine Änderung von Art. 102 GG kein Tabu sein.“
 
Es war weder ein Mausrutscher, ein unüberlegtes Posting noch die Aktion eines Mitarbeiters, sondern ein von mir selbst bewusst erstellter und geplanter Beitrag, den ich bis zum Zeitpunkt der vorgesehenen Veröffentlichung noch hätte löschen können.
 
Der Kontext war ein aktueller Bericht über die Wiedereinreise eines im Juni nach Italien abgeschobenen Kameruners.
 
Zur Erinnerung: Anfang Mai 2018 eskalierte in der baden-württembergischen Landeserstaufnahmestelle Ellwangen ein Polizeieinsatz. Ein Mob von um die 200 Bewohnern rottete sich zusammen und verhinderten die Ingewahrsamnahme eines zur Abschiebung vorgesehenen Afrikaners. Die eingesetzte Polizeistreife musste sich zurückziehen und hätte bei einer Fortsetzung des Einsatzes um Leib und Leben fürchten müssen. Allein der nachfolgende Großeinsatz mit einem Aufgebot von mehreren hundert Polizeibeamten verursachte Kosten in einer Größenordnung von über 360.000 Euro. Bei der jetzt wieder eingereisten Person handelt es sich nach der Berichterstattung um einen der Rädelsführer des Mobs.
 
Einträge auf meiner Facebook-Seite werden synchron auch auf Twitter veröffentlicht. Im Laufe des heutigen Tages erhielt ich von Facebook die Mitteilung einer einwöchigen Sperre meines persönlichen Accounts, so dass diese Stellungnahme von einem Mitarbeiter veröffentlicht wird, der hierfür seinen Weihnachtsurlaub unterbrechen musste.
 
Da ich den Beitrag bewusst veröffentlicht habe, gibt es von meiner Seite keinen Grund, diesen zu löschen. Entsprechende Kommentare über eine erfolgte Löschung beruhen offenbar darauf, dass der Beitrag von Facebook und / oder Twitter infolge der erfolgten Sperrung nicht mehr angezeigt wird.
 
Die seit gestern erfolgten Reaktionen veranlassen nun zu folgenden Bemerkungen:
1. Weder das Grundsatzprogramm , das Wahlprogramm für die Bundestagswahl oder die Initiativen der Bundestagsfraktion der Alternative für Deutschland enthalten auch nur verklausuliert die Forderung nach der Todesstrafe. Es gibt auch keine solchen Forderungen in der innerparteilichen Diskussion, noch wäre dies mehrheitsfähig.
 
2. Art. 102 GG ist im Grunde genommen überflüssig, da die herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung ohnehin davon ausgeht, dass die Todesstrafe gegen den der Ewigkeitsklausel (Art. 79 Abs. 3 GG) unterliegenden Grundsatz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) verstößt, so dass unter der Geltung des Grundgesetzes die Einführung der Todesstrafe nicht statthaft ist.
 
Selbst wenn sich in den Parlamenten die Mehrheitsverhältnisse so ändern sollten, dass eine 2/3-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat für eine Änderung oder Streichung von Art. 102 GG zustande käme, bliebe die Todesstrafe deshalb auf lange Sicht dennoch unzulässig.
 
Anzumerken bleibt weiterhin, dass auch mit einer Änderung oder Streichung von Art. 102 GG noch keine Todesstrafe eingeführt wäre, sondern dies - bei angenommener Vereinbarkeit mit Art. 1 Abs. 1 GG - in jedem Fall einer ausdrücklichen Einführung als zulässige Strafart im Allgemeinen Teil des StGB bedürfte. Zudem müssten die betreffenden Tatbestände des Besonderen Teils des StGB oder des Nebenstrafrechts entsprechend geändert werden.
 
3. Man darf mir vieles unterstellen, aber ich verwahre mich gegen den Vorwurf der Ignoranz. Und angesichts der vorstehend geschilderten komplexen Rechtslage wäre es einfach nur ignorant, die Einführung der Todesstrafe de lege ferenda damit zu fordern, dass man Art. 102 GG zur Disposition stellt.
 
Wenn man meinen Beitrag exakt liest, gab es denn auch keinerlei Forderung nach einer Einführung der Todesstrafe, sondern nur die Aufforderung nach einer wirksamen Abschreckung für Fälle wie eingangs geschildert. Natürlich war mein Kommentar eine bewusste und gezielte Provokation und wenn man sieht, wie viele aufgeregte Gutmenschen sich seit gestern daran abarbeiten, auch eine erfolgreiche.
 
Der Verweis auf Art. 102 GG in Verbindung mit dem Attribut „tabulos“ sollte natürlich die Assoziation „Todesstrafe“ triggern, damit die Gutmenschen genau das herauslesen, was sie unbedingt hören wollen - einen Skandal. Genauso gut hätte man den Beitrag auch dahin interpretieren können, dass es um die Einführung der Zulässigkeit von Körperstrafen geht.
Und sine ira et studio hätte als Antwort auf meinen Beitrag bereits die banale Forderung ausgereicht, die Bundesregierung dürfe Art. 16a Abs. 2 GG nicht mehr - wie seit September 2015 der Fall - missachten und illegale Einreisen müssten durch eine funktionierende Grenzsicherung unterbunden werden.
 
4. Es ging mir mit dem gestrigen Beitrag also um Provokation. Und Provokation ist nötig angesichts des im verlinkten Bericht der WELT dokumentierten Falles und seiner fatalen Botschaft:
Migranten aus aller Welt können nach Deutschland kommen, auch wenn sie kein Recht dazu haben. Dennoch werden sie hier untergebracht, ernährt, bekleidet und medizinisch versorgt. Wenn sie abgeschoben werden sollen, können sie sich faktisch folgenlos dagegen auflehnen, um die Abschiebung zu verhindern. Polizeibeamte sind faktisch vogelfrei.
 
Und falls es doch einmal zur Abschiebung kommt, ist man spätestens innerhalb eines halben Jahres wieder in Deutschland und das Spiel beginnt von vorne. Für Polizeibeamte bedeutet es, dass sie besser bei ihrer Dienstausübung keinerlei Risiko eingehen. Denn weder dankt es ihnen der Dienstherr, wenn sie das Recht umsetzen, noch sorgt der Staat dafür, dass es etwas bringt, wenn der soeben mühsam Abgeschobene bei nächster Gelegenheit wieder unbehelligt einreisen kann.
 
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, beschreibt unsere Situation in Deutschland so: „Kontrollverlust in der Zuwanderungsfrage, Staatsversagen in der Vollstreckung von Abschiebungen, kein Rezept gegen kriminelle Familienclans sowie ein dramatischer Autoritätsverlust des Staates“.
 
Wobei die Feststellung von Kontrollverlust und Staatsversagen nur ganz partiell gilt. Nämlich nur im Hinblick auf die, „die noch nicht so lange hier leben“. Wer dagegen seine Zwangsgebühren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht bezahlt, stellt ganz schnell fest, dass für ihn andere Regeln gelten und diese auch mustergültig vollstreckt werden.
 
5. In den Kommentaren und Mitteilungen zu meinem gestrigen Beitrag war viel von „Wertekanon“ o.ä. die Rede und dass die Todesstrafe ganz klar nicht dazu gehöre. Das ist richtig.
Genauso richtig ist aber auch, dass bislang zu unserem Wertekanon auch gehörte, dass die Regierung nicht jahrelang die Verfassung aushebelt (Art. 16a Abs. 2 GG). Dass das Gewaltmonopol des Staates durchgesetzt wird - und zwar gleichmäßig in alle Richtungen. Dass die Staatsgewalt die Staatsgrenzen sichert.
 
Die Realität ist aber, dass die Grenzen beliebig durchlässig sind, während Weihnachtsmärkte zu Hochsicherheitszonen hochgerüstet werden, dass die Regierung das Recht nur noch dort durchsetzt, wo es ihr gefällt und dass der Staat sich immer weniger um diejenigen kümmert, die ihn tragen und vor allem auch finanzieren.
 
Wenn sich der Staat dagegen weiterhin immer mehr selbst aufgibt und es hinnimmt, dass seine Durchsetzungskraft weiter erodiert, wird die staatliche Ordnung irgendwann ganz zusammenbrechen und dann droht weitaus Schlimmeres als mein gestriger Beitrag.
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