Der Präsident mit der niedrigsten Zustimmung in der Geschichte Frankreichs und eine Kanzlerin, die ihren definitiven Abschied aus der Politik bereits verkündet hat, schließen einen Regierungsvertrag, der genauso wenig Zukunft hat wie sie selbst als Politiker. Václav Klaus spricht von Geheimvertrag.
von Norbert Kleinwächter
Ungewöhnlich scharf kritisierte der frühere tschechische Staatschef Václav Klaus den neuen deutsch-französischen Freundschaftsvertrag. Klaus sprach in einem auf den Seiten seines Büros veröffentlichten Kommentar von einem "Geheimvertrag über den faktischen Zusammenschluss Frankreichs und Deutschlands". Aber die Bürger seien dazu nicht befragt worden, bemängelte er.
Mit dem gestern unterzeichneten deutsch-französischen Vertrag erweisen Merkel und Macron dem europäischen Zusammenhalt einen Bärendienst. Anstatt das Misstrauen der Menschen den Regierungen und Brüssel gegenüber zu berücksichtigen, drängen sie darauf, existenzielle Schicksalsfragen auf die europäische Ebene zu verlagern: Außen- und Sicherheitspolitik, Rüstungsexporte, Immigration, Klimapolitik.
Es ist jedoch Kern der Willensbildung einer Nation, über solche Dinge demokratisch national entscheiden zu können. Die Magie der deutsch-französischen Freundschaft liegt doch darin, dass man trotz großer historischer Unterschiede intensiven kulturellen und sprachlichen Austausch betreibt.
Es ist falsch, aus dieser Zusammenarbeit einen deutsch-französischen Motor für die EU konstruieren zu wollen, der die falschen Ideen Macrons beinhaltet: eine Europäische Armee, eine Europäische Außenpolitik, eine Europäische Migrationspolitik und eine Europäische Klimapolitik. Das wollen die anderen europäischen Staaten nicht, und das wollen vor allem auch Deutsche und Franzosen nicht.
Die Deutschen und die Franzosen sollten weiterhin selbst bestimmen können, wie sich ihre Streitkräfte zusammensetzen, wo diese im Krieg sind, mit welchen Staaten man welche Beziehungen eingeht, wer ins Land darf und wer nicht und was man in Bezug auf Umweltschutz, Tierschutz und Ökologie tun will. Es gibt keine Mehrwerte einer supranationalen Entscheidung in diesem Bereich, hier gibt es nur Bevormundung. Und die ist falsch.
Der Vertrag von Aachen wird ebenso scheitern wie Macron als Präsident Frankreichs. Es hat schon etwas Morbides: Der Präsident mit der niedrigsten Zustimmung in der Geschichte Frankreichs und eine Kanzlerin, die ihren definitiven Abschied aus der Politik bereits verkündet hat, schließen einen Regierungsvertrag, der genauso wenig Zukunft hat wie sie selbst als Politiker.
Der Vertrag von Aachen ist ein Problem für die EU, weil er den entschiedenen Protest derer provoziert, die diese Ideen nicht unterstützen. Er ist aber auch ein Problem für Deutschland und Frankreich selbst, weil die Regierungen sich hierdurch selbst isolieren – den anderen Mitgliedsstaaten der EU und der eigenen Bevölkerung gegenüber.
Macron führte in seiner Rede aus, es gebe Feinde des europäischen Gedankens außerhalb der EU, aber auch innerhalb eines jeden Landes. Ein Präsident sollte auf seine Bürger hören, statt sie zum Feind zu erklären. Der 22. Januar 1963 war ein Tag der Freude. Der 22. Januar 2019 wird als solcher nicht in die Geschichtsbücher eingehen können.