Bundesbankpräsident Weidmann warnt Italien vor Ende des Reformkurses. Der Eindruck, alles sei wieder in Ordnung, nur weil sich die Lage an den Finanzmärkten entspannt hat, ist trügerisch und problematisch.“ Die Einschätzung der Bundesbank habe sich nicht verändert.
Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat Italien eindringlich vor einem Ende des Reformkurses gewarnt. In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin FOCUS sagte Weidmann: „Die Bürger und die Regierung entscheiden über die Ausrichtung der nationalen Politik und müssen deren Folgen tragen.“ Italien dürfe nicht darauf bauen, dass die Notenbanken dem Land zu Hilfe kämen: „Wenn in Italien wichtige politische Akteure über eine Umkehr der Reformen oder gar den Austritt Italiens aus der Währungsunion diskutieren und in der Folge die Zinsen für italienische Staatsanleihen steigen, dann kann und darf dies kein Grund für Interventionen der Notenbank sein.“ Jedes Land trage hier eine Eigenverantwortung. „Eine umfassende Gemeinschaftshaftung oder die Finanzierung durch die Notenbank sind aus diesem Grund vertraglich ausgeschlossen.“
Der Bundesbankpräsident widersprach in FOCUS der Einschätzung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), dass in der Eurokrise das Schlimmste vorbei sei: „Der Eindruck, alles sei wieder in Ordnung, nur weil sich die Lage an den Finanzmärkten entspannt hat, ist trügerisch und problematisch.“ Die Einschätzung der Bundesbank habe sich nicht verändert: „Wir haben stets darauf hingewiesen, dass die Eurokrise erst vorbei ist, wenn die strukturellen Probleme gelöst sind – vor allem die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit und die hohe Verschuldung.“
Weidmann rügte im FOCUS-Interview die wiederholten Forderungen vieler Politiker, die Staatsschulden durch höhere Inflation abzubauen: „Diese Auffassung halte ich für brandgefährlich. Wenn man die Inflation einmal zulässt, kann man sie kaum mehr bändigen.“ Der Bundesbankpräsident warnte davor, „die mittel- bis langfristigen Stabilitätsrisiken zu unterschätzen“: „Es darf kein Zweifel daran entstehen, dass wir die Geldpolitik rechtzeitig wieder straffen werden.“
Aufgrund des steigenden Drucks der Politik sieht Weidmann die Unabhängigkeit der Notenbanken in Gefahr: „Dieser Trend zur politischen Einflussnahme beschränkt sich nicht nur auf den Euroraum. Das ist ein weltweites Phänomen.“ Wenn die Notenbanken „zum Ausputzer der Politik“ würden, drohe, dass sie ihr Ziel aus den Augen verlören, die Preise stabil zu halten.
Angesichts der gerade laufenden Tarifverhandlungen mahnte Weidmann zu einer weiterhin maßvollen Lohnpolitik in Deutschland: „Ich gehe davon aus, dass dieser Kurs fortgesetzt wird.“ Die Arbeitgeber und Gewerkschaften hätten „sich in den vergangenen Jahren sehr verantwortungsvoll gezeigt“.