ARD-Wahlmoderator Jörg Schönenborn hält es kurz vor der Europawahl am 26. Mai für falsch, von einer Schicksalswahl für die EU zu sprechen. "Das passt nicht zur deutschen Wirklichkeit. Es gibt bei uns ein breites Bekenntnis zu Europa", sagte der WDR-Fernsehdirektor dem "Kölner Stadt-Anzeiger".
Das gelte auch fürs Ausland. "Europa ist so populär wie nie. Die Umfragen kommen auf ein 35-Jahres-Hoch in der Frage, ob die EU den Menschen mehr Vorteile als Nachteile bringt. Das zieht sich durch alle EU-Mitgliedsstaaten - mit einer Ausnahme: Italien."
Dass nun in allen Wahlaufrufen zu hören ist, Europa sei bedroht und brauche den Rückhalt der Wähler sieht er kritisch. "Ich glaube, die politische Mitte fällt damit auf einen politischen Trick herein. Die Rechte hingegen versucht, in der allgemeinen Europafreundlichkeit zu mobilisieren und den anderen eine `Für oder gegen Europa`-Debatte aufzuzwingen", so Schönenborn.
Er halte es nicht für klug, darauf einzusteigen. "Denn auch und gerade Pro-Europäer müssten die Schwächen Europas sehen und statt einer Ja-Nein-Debatte eine Wie-Debatte führen."
Bei genauerem Hinsehen zeige sich, dass auch die AfD ihre Haltung zu Europa korrigiert habe. Sie lege jetzt großen Wert darauf, nicht für anti-europäisch gehalten zu werden. "Sie redet von einem `anderen Europa`, stellt Europa aber nicht mehr grundsätzlich infrage", so Schönenborn. "Kein Wunder: Auch AfD-Anhängern schwant, dass es ihnen mit der EU besser geht als ohne."
Foto: Jörg Schönenborn, über dts Nachrichtenagentur