Eine von der Europäischen Union geplante Richtlinie bedroht laut dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) rund 5.000 Fußballplätze im Land: Ab 2022 soll das Gummi-Granulat verboten sein, das auf Kunstrasenplätzen verwendet wird.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sieht den Breitensport in Gefahr: Er wolle sich für eine Übergangsfrist von sechs Jahren für bestehende Kunstrasenplätze einsetzen, sagte Seehofer der "Welt am Sonntag". Die EU-Mitgliedstaaten würden laut der geplanten Richtlinie verpflichtet, entsprechende Gesetze zu erlassen.
Das Granulat ist einer der größten Verursacher für Umweltbelastungen durch Mikroplastik. "Als Sportminister werbe ich für einen vernünftigen Ausgleich zwischen Umweltschutz und den berechtigten Interessen des Sports. Viele Tausend Sportanlagen in deutschen Kommunen wären sonst von der Schließung bedroht", so der Innenminister weiter.
Seehofer hatte bereits vergangene Woche in einem Brief an Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) für diese Übergangsfrist geworben. Es erschließe sich nicht, warum "der Schaden eines Verbleibs" der bestehenden Plätze "höher sein sollte als der Gewinn, der durch die weitere Nutzung entsteht", heißt es in dem Brief.
Die Übergangsfrist von sechs Jahre fordert auch der DFB. Amateurvereine bundesweit befürchten, durch das drohende Verbot ihren Spielbetrieb nicht mehr aufrecht erhalten zu können. Denn die so notwendig werdenden Sanierungskosten für die Plätze, die je nach Umrüstmethode bis zu einer halben Million Euro betragen können, könnten sie sich nicht leisten.
Der sportpolitische Sprecher der Linken-Bundestagsfraktion, André Hahn, wirft der Bundesregierung vor, das Thema verschlafen zu haben. Aus einer schriftlichen Anfrage Hahns an die Bundesregierung, die das Innenministerium diese Woche beantwortete, geht hervor, dass Seehofers Ressort bisher noch keine Lösungen erarbeitet habe, um Vereine zu unterstützen, die durch das drohende Verbot in Not geraten. Dort heißt es, dass die Bundesregierung Prüfungsergebnisse der EU abwarte. Der Linken-Politiker wertet dies als Untätigkeit der Regierung: "Abwarten und Teetrinken reicht nicht", sagte Hahn der "Welt am Sonntag".
Die Bundesregierung hätte selbst längst prüfen können, welche gesundheitlichen Risiken von Kunstrasenplätzen ausgehen, anstatt "massive Einschränkungen des Trainings- und Wettkampfbetriebes hilflos in Kauf zu nehmen", so der Linken-Politiker weiter. Auch die FDP-Bundestagsabgeordnete Britta Dassler, die im Sportausschuss des Bundestags sitzt, fordert mehr Engagement von der Regierung. "Wir müssen dringend eine Gesetzesebene für den Umgang mit Kunstrasenplätzen finden und die Vereine unterstützen", sagte sie.
Nach der Sommerpause müsse das Thema außerdem im Sportausschuss des Bundestags angegangen werden. Besorgnis löst das drohende Verbot auch bei Fußball-Nachwuchsförderern aus. "Wenn es wirklich darauf hinauslaufen sollte, dass es bald keine Kunstrasenplätze mehr gibt, wäre das für viele Vereine sicher der Genickbruch", sagte der ehemalige Fußball-Profi Mike Rietpietsch der "Welt am Sonntag".
Rietpietsch spielte unter anderem für Bayer 04 Leverkusen, den SC Freiburg und Fortuna Düsseldorf. Seit einigen Jahren ist er Miteigentümer der Fußballschule "Kick`N Body", die bundesweit rund 40 Camps für Kinder betreibt. Er fragt sich: "Wo soll das hinführen - zurück auf Ascheplätze? Das kann es nicht sein. Ich hoffe, dass es am Ende Lösungen gibt, mit denen den Vereinen und dem Nachwuchs geholfen ist", so der ehemalige Fußball-Profi.
Foto: Fußbälle, über dts Nachrichtenagentur