Der in Russland gestrandete US-Whistleblower Edward Snowden hofft doch noch darauf, in Deutschland oder einem anderen Land der Europäischen Union politisches Asyl zu bekommen.
"Wenn Deutschland mich aufnehmen würde, würde es inzwischen nicht mehr als ein feindlicher Akt gegen die USA aufgefasst", sagte Snowden der "Welt" (Samstagausgabe). Dies sei für jeden, der "objektiv auf die Geschichte blickt", offensichtlich.
Deutschland habe gute und freundschaftliche Beziehungen mit den Vereinigten Staaten. Snowden warf Deutschland und Frankreich vor, bisher in seiner Sache nichts unternommen zu haben.
"Ich sitze ja leider auch aufgrund der Untätigkeit westlicher Regierungen in Moskau fest", sagte Snowden. "Ich hatte in Deutschland und in Frankreich Asylanträge gestellt. Und die Regierungen haben nach Gründen gesucht, weshalb ich nicht kommen darf." Er habe nichts veröffentlicht, womit er Menschen gefährdet hätte. Snowden sagte: "Ich glaube, die europäischen Regierungen haben Angst vor mir."
Snowden, dessen Autobiografie am 17. September erscheint, lebt seit seinen Enthüllungen 2013 im russischen Exil in Moskau. Anfang 2020 läuft seine Aufenthaltsgenehmigung für Moskau ab. Unklar ist, ob sie verlängert wird. Die USA verlangen die Auslieferung des 36-Jährigen, weil dieser die weltweite Überwachungspraxis des US-Geheimdienstes NSA öffentlich gemacht hatte.
Trump, Johnson und AfD nicht vorübergehend
Snowden warnt davor, den Aufstieg von Politikern wie dem US-Präsidenten Donald Trump und dem britischen Premierminister Boris Johnson oder der AfD nur als vorübergehende Abweichung von der politischen Norm zu betrachten. "Überall haben Politiker und Unternehmer verstanden, dass sie Technologien nutzen können, um die Welt auf einem neuen Level beeinflussen zu können", sagte der 36-Jährige dem "Spiegel".
"Trump ist nicht das Problem. Er ist ein Produkt des Problems." Er bereue, dass er "Teil eines Systems werden konnte, das meine Fähigkeiten nutzt, um globalen Schaden zu verursachen", sagt Snowden, dessen biografisches Buch "Permanent Record" am 17. September weltweit veröffentlicht wird. Er habe Jahre gebraucht, um zu begreifen, dass die National Security Agency (NSA) ein geheimes und praktisch unkontrollierbares Instrument der Massenüberwachung aufgebaut habe.
Als es so weit war, habe er als einziger Mitarbeiter eines NSA-Tarnbüros auf Hawaii, dem "Büro zur Informationsverbreitung", Informationen gesammelt, um die Existenz dieses Überwachungssystems beweisen zu können, so Snowden im "Spiegel". Die Daten habe er auf SD-Karten gespeichert und teilweise im Mund oder in einem präparierten Zauberwürfel versteckt aus dem Gebäude geschmuggelt.
"Die NSA hat nie geahnt, wie gut ich auf diesem Posten der Informationsverbreitung sein würde." Heute führe er in seinem russischen Exil ein weitgehend normales Leben, halte jedoch absichtlich einen gewissen Abstand zur russischen Gesellschaft: "Ich mache keine Selfies vor dem Kreml, weil die US-Regierung das nutzen würde, um meine Arbeit zu diskreditieren", sagte Snowden dem "Spiegel".
Er halte es für "immer wahrscheinlicher", dass er eines Tages zurückkehren könne, da der Vorwurf von 2013, er habe die nationale Sicherheit gefährdet, "in sich zusammengefallen" sei. Russland sei "für sehr viele verurteilenswerte Aktivitäten in der Welt verantwortlich" und habe "ziemlich sicher" Wahlen manipuliert. Das gelte jedoch auch für die USA.
"Jedes Land, das größer ist als Island, wird versuchen, in entscheidende Wahlen einzugreifen, und alle werden das immer leugnen", so Snowden. "Wir müssen die massenhafte Datensammlung stoppen", forderte der Ex-Spion, der heute Präsident der Stiftung Freedom of the Press Foundation ist. Das gelte aber nicht nur für Geheimdienste, sondern auch für Datenkonzerne wie Facebook und Google.
In einem ersten Schritt gelte es, etwa für jeden Smartphone-Nutzer "sichtbar zu machen, wie sehr wir auf Schritt und Tritt verfolgt werden", erläuterte Snowden in dem "Spiegel"-Gespräch. "Und wenn niemand sonst eine Alternative entwickelt, dann werde ich das verdammt noch mal selbst tun."
Foto: Mediennutzer betrachtet das Ergebnis der Google-Bildersuche zu Edward Snowden, über dts Nachrichtenagentur