Die Kandidaten für den SPD-Vorsitz Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans trauen sich Wahlergebnisse von mehr als 35 Prozent zu.
Eine starke Sozialdemokratie habe "in der Bevölkerung ein Potenzial von gut 35 Prozent", sagte Esken den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Sonntagausgaben). "Dieses Potenzial können wir auch heben."
Walter-Borjans sagte: "Wenn wir beide Vorsitzende werden, bin ich ziemlich sicher, dass die SPD relativ schnell bessere Umfragewerte bekommt. Wir können einen Stimmungsumschwung erzeugen."
Zugleich nahm Walter-Borjans seine Empfehlung zurück, auf einen Kanzlerkandidaten zu verzichten. Wenn sich vor der Bundestagswahl abzeichne, dass die SPD eine Regierung führen könne, "werden wir natürlich sagen, wer Kanzler werden soll".
Die gegenwärtigen Umfragewerte von unter 15 Prozent nannte der frühere nordrhein-westfälische Finanzminister "dramatisch zu niedrig und der Sozialdemokratie nicht würdig". Die Leute würden "verdutzt gucken, wenn wir da einfach nur einen Kanzlerkandidaten nominieren", sagte er. "Wir wollen Vertrauen zurückgewinnen, ein klares Programm benennen und so wieder zu Kräften kommen. Dann wollen wir natürlich auch die Regierung führen."
Die beiden Bewerber schlossen ausdrücklich nicht aus, selbst als Kanzlerkandidaten anzutreten. "Ich gebe jetzt keine Verzichtserklärung ab. Wer hier Nein sagt, verliert unnötig Führungsautorität", sagte Walter Borjans. Esken formulierte es so: Wenn man den Vorsitz der SPD anstrebe, müsse man "damit rechnen, dass auch weitere Aufgaben auf einen zukommen".
Beide machten deutlich, dass sie zumindest ein gewichtiges Wort in der Frage der Kanzlerkandidatur mitreden wollten. "Es war bisher üblich, dass die Vorsitzenden in dieser Frage das Prä haben", sagte die Bundestagsabgeordnete. Walter-Borjans betonte: "Wir nehmen die Mitglieder ernst, wir nehmen die Parteistrukturen ernst, aber wir nehmen auch unseren Führungsauftrag ernst. Es ist nicht unser Ding, die Entscheidung dieser wichtigen Frage einfach entgegenzunehmen."
Auf die Frage, ob es vorstellbar sei, dass sie Vizekanzler Olaf Scholz bei der SPD-Kanzlerkandidatur den Vortritt ließen, antwortete Walter-Borjans: "Theoretisch ja. Es gibt eine Menge Leute, die dafür infrage kommen." Der einstige Landesminister machte deutlich, dass sich die Bewerber nicht als Kurzzeit-Vorsitzende begreifen. Sie wollten "nicht nur einen Übergang machen", sagte Walter-Borjans. "Es gibt in dieser Partei eine Menge zu tun, was länger als zwei Jahre dauert."
Foto: Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken, über dts Nachrichtenagentur