Der seit 16. März geltende Zurückweisungserlass für die meisten Ausländer gilt nicht für Asylbewerber. Durch die neuen Grenzschutzmaßnahmen habe sich "am bisherigen Asylverfahren keine Änderung ergeben", teilte laut der "Welt am Sonntag" das Bundesinnenministerium (BMI) mit.
Seit dem 16. März kontrolliert die Bundespolizei zur Eindämmung der Infektionsgefahren an den Grenzabschnitten zu Frankreich, Österreich, Dänemark, Luxemburg und der Schweiz und weist Ausländer zurück, die nicht zu Ausnahmegruppen gehören.
Neben Berufspendlern oder Ärzten zählen dazu auch Asylbewerber. Diese Ausländergruppen sollen nur zurückgewiesen werden, wenn schon Krankheitssymptome auf eine Corona-Infektion hindeuten. Schon 63.000 Personen wurden seit 16. März von der Einreise abgehalten, berichtet die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf Sicherheitskreise.
Wie mehrere Bundestagsabgeordnete, die an entsprechenden Konferenzen teilnahmen, der Zeitung übereinstimmend bestätigten, wollte Innenminister Horst Seehofer (CSU) in den Tagen nach der Einführung der Grenzkontrollen vom 16. März die Ungleichbehandlung von Asylbewerbern und anderen Ausländern beseitigen, was aber bisher nicht geschah. Inzwischen nahm Seehofers BMI Abstand von den Plänen, wie die "Welt am Sonntag" erfuhr.
Das Haus argumentierte in einer Telefonkonferenz am Mittwoch laut mehreren Teilnehmern damit, dass auch ohne Zurückweisungserlass für Asylbewerber der Zuzug von Schutzsuchenden drastisch eingebrochen sei. Aus dem BMI war zu hören, dass seit dem 16. März pro Tag nur noch im mittleren zweistelligen Bereich Asylsuchende an den Grenzen festgestellt wurden.
Auf einen Monat hochgerechnet wären das nur rund 1.500 Neuankömmlinge, in den Monaten zuvor kamen jeweils rund 10.000 an. Einige Unionspolitiker fordern trotzdem ein konsequenteren Vorgehen. Thorsten Frei, der für Innenpolitik zuständige CDU-Fraktionsvize, sagte der "Welt am Sonntag": "Zur Eindämmung der Pandemie gehört auch, dass wir die illegale EU-Binnenmigration von Asylbewerbern durch Zurückweisungen unterbinden.
Bereits unter normalen Umständen gilt der Grundsatz, dass sich niemand in Europa das Land aussuchen kann, in dem er seinen Asylantrag stellt." Schutzsuchende seien verpflichtet, den Antrag dort zu stellen, wo sie zuerst europäischen Boden betreten. "Wir können nicht auf der einen Seite EU-Bürgern die Einreise nach Deutschland untersagen und auf der anderen Seite Asylbewerbern den illegalen Grenzübertritt erlauben", sagte der CDU-Politiker.
Armin Schuster (CDU) sagte der "Welt am Sonntag": "Gesundheitsschutz geht jetzt vor, deshalb muss das Einreiseverbot auch auf Asylsuchende ausgeweitet werden und zwar an allen deutschen Landgrenzen. Nur wenn wir alle Grenzabschnitte kontrollieren, sind die üblichen Ausweichbewegungen zu verhindern." Am Montag wird das Krisenkabinett auf Vorschlag Seehofers über eine solche Ausdehnung beraten.
Der ehemalige Bundespolizist weist auch auf mögliche Gründe für den starken Rückgang der Asylzahlen, trotz des fehlenden Zurückweisungserlasses hin. So könne die Einreise von Asylbewerbern "vereinzelt auch durch die gute Kooperation der Bundespolizei mit dem jeweiligen Nachbarstaat verhindert" werden.
In diesen Fällen komme es zu einer "Ausreiseuntersagung durch die Grenzbehörden des Nachbarlands". Dies sei aber nur möglich, "solange die Person noch nicht nach Deutschland eingereist ist, das ist also keine verlässliche Lösung". Einen weiteren möglichen Grund für die geringen Asylzahlen nennt Heiko Teggatz, der bei der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) für die Bundespolizei zuständig ist.
"Es gibt Grenzübergänge, an denen sowohl Beamte der Bundespolizei als auch Polizeibeamte des Nachbarstaates die Überfahrten kontrollieren", sagte er. "Das ist zum Beispiel in Straßburg der Fall. Hier würde ein Asylbewerber von der Bundespolizei an die französischen Kollegen zurücküberwiesen."
Foto: Flüchtlinge auf der Balkanroute, über dts Nachrichtenagentur