Philosoph Nida-Rümelin mahnt eine „rasche Lockerung“ der Corona-Beschränkungen an. Schlimmstenfalls drohe ein gesellschaftlicher Zusammenbruch.
Der Münchner Philosoph Julian Nida-Rümelin mahnt die im Kampf gegen das Coronavirus erlassenen Alltagsbeschränkungen „möglichst rasch“ wieder zu lockern. „Wir brauchen jetzt die Diskussion, wie wir aus diesem Shutdown möglichst herauskommen“, sagte Nida-Rümelin im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Wir müssen unbedingt zur Freiwilligkeit zurückkommen, die für unsere Demokratie so elementar ist.“
Der ehemalige Kulturstaatsminister betonte, dass man nicht kleinreden dürfe, was gerade passiert. „Wir setzen einen Großteil der Grundrechte außer Kraft“, sagte er. Solche Freiheitsbeschränkungen dürfe es nur geben, solange sie klar befristet seien.
„Wenn wir den Shutdown zwölf, 16 oder 18 Monate fortsetzen würden, hätten wir eine so schwere Beschädigung der Vitalität der Volkswirtschaft, des sozialen und kulturellen Lebens, dass ich mir große Sorgen machen würde.“ Schlimmstenfalls drohe ein gesellschaftlicher Zusammenbruch.
Nida-Rümelin empfiehlt eine schrittweise Rückkehr zur gesellschaftlichen Normalität, die von einem „Cocooning“ von Risikogruppen wie Alten und Vorerkrankten begleitet wird. „Die Selektivität des Virus gibt uns die Möglichkeit, die Opferzahlen deutlich absinken zu lassen, wenn wir die besonders Gefährdeten schützen.“ Dazu schlägt er beispielsweise vor, Schutzschleusen an Altenheimen zu errichten.
Als Vorbilder im Kampf gegen die Pandemie könnten ostasiatische Demokratien wie Südkorea und Taiwan dienen, die sich durch eine „Schutzmaskenkultur“ auszeichneten und Technologien des Handytrackings einsetzten. „Wir stellen unsere Daten völlig nonchalant Facebook und Google zur Verfügung, daher halte ich es für unproblematisch, wenn wir jetzt Daten zur Krisenbekämpfung vorübergehend dem Staat zur Verfügung stellen“, sagte Nida-Rümelin. Die Daten müssten allerdings anonymisiert werden. Zudem sollte die Nutzung der App freiwillig sein.