Grünen-Chefin Annalena Baerbock hat die Bundesregierung dazu aufgefordert, sich während ihrer am 1. Juli beginnenden EU-Ratspräsidentschaft für eine europäische Asylreform einzusetzen.
"Die Zahl der weltweiten Flüchtlinge steigt immer weiter an. 80 Millionen Menschen sind inzwischen auf der Flucht, erleben tagtäglich Leid, Verlust, Angst, Ungewissheit. Die Coronakrise könnte diese Entwicklung noch verschärfen", sagte Baerbock dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Samstagausgaben).
Nach wie vor habe die Europäische Union kein faires Asylsystem, was dem Anspruch von Humanität und Ordnung gerecht werde, beklagte die Grünen-Chefin. "Die Bundesregierung hat mit der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft dazu den Schlüssel in der Hand", so Baerbock. Besonders Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) stehe in der Pflicht, die Blockade bei der Schaffung eines solidarischen Asylsystems zu lösen.
"Jahrelang hat der deutsche Innenminister behauptet, er könne ja nicht anders, weil die anderen Mitgliedstaaten nicht wollten." Nun könne und müsse die Bundesregierung zeigen, dass sie Verantwortung übernehme, sagte Baerbock. "Es gilt, endlich ein gemeinsames europäisches Asylsystem nach rechtsstaatlichen Kriterien und menschenrechtlichen Standards sowie mit einer fairer Verteilung der Geflüchteten innerhalb der EU auf den Weg zu bringen", forderte die Grünen-Politikerin. Sie verwies auf die humanitäre Krise im Mittelmeer.
"Die Situation in der Ägäis und im zentralen Mittelmeer, wo weiter Menschen sterben, Schiffe mit Geretteten nicht in europäischen Häfen anlanden dürfen und nun sogar europäische Grenzschützer Flüchtlinge auf offener See aussetzen, ist nicht zu ertragen. Sie bricht mit Europas Werten", so Baerbock. Akut benötigte Hilfe, etwa für die Menschen in den überfüllten griechischen Lagern, dürfe nicht unter Verweis auf die noch ausstehende Asylrechtsreform verweigert werden.
"Mehrere Bundesländer und Kommunen haben mehrfach beantragt, Menschen aus den katastrophalen Lagern auf den griechischen Inseln aufzunehmen. Die Bundesregierung sollte das endlich ermöglichen, wenn sie glaubwürdig im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft agieren will", forderte Baerbock.
Die Zahl der vor Gewalt und Konflikten geflüchteten Menschen hat laut den Vereinten Nationen einen neuen Höchststand erreicht. Weltweit seien rund 80 Millionen Kinder, Frauen und Männer Ende des vergangenen Jahres auf der Flucht gewesen, heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Jahresbericht des Hilfswerks UNHCR. Die UN erinnern jährlich am 20. Juni - dem Weltflüchtlingstag - an das Leid der Menschen auf der Flucht.
Foto: Flüchtlinge auf der Balkanroute, über dts Nachrichtenagentur