Ein Jahr vor der Bundestagswahl fordern die Grünen ein radikales Umdenken in der deutschen Verkehrspolitik.
In einem gemeinsamen Vorstoß sprechen sich Partei- und Fraktionsführung für ein Moratorium für den Neubeginn von Autobahnen und Bundesstraßen aus: "Wir brauchen eine andere Verkehrspolitik", sagte die Parteivorsitzende Annalena Baerbock der "Süddeutschen Zeitung" (Montagsausgabe). "Die Planungen für Autobahnen und Bundesstraßen müssen grundsätzlich auf die Einhaltung der Klimaziele, Notwendigkeit und die Wirtschaftlichkeit überprüft werden", sagte auch der Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter.
Das derzeit besonders umstrittene Bauprojekt, den Weiterbau der A 49 in Hessen, solle die Bundesregierung "jetzt stoppen", sagte Baerbock weiter. Die Polizei hatte zuletzt begonnen, Protestcamps zu räumen. Aktivisten versuchen, die begonnene Rodung von Wäldern zu stoppen. Für Sonntag wurden neue Demonstrationen erwartet. Die Grünen wenden sich mit dem Vorstoß gegen die langfristige Dominanz der Straßenplanung in der deutschen Verkehrspolitik.
"Die Verkehrsplanung der Bundesregierung zementiert für die nächsten zehn Jahre zahllose Straßenprojekte und konterkariert die deutschen Klimaziele", sagte Hofreiter. Auch der Verkehrssektor müsse einen substanziellen Beitrag zur Lösung der Klimakrise beitragen. "Statt immer mehr Autobahnen und Umgehungsstraßen zu bauen muss der Fokus auf einem massiven Ausbau von Bus und Bahn, der Stärkung des Radverkehrs und vernetzter Mobilitätsangebote liegen", so der Fraktionschef.
Der Autoverkehr gehört seit Jahren zu den großen Klimasündern in Deutschland. Er trägt maßgeblich dazu bei, dass Deutschland seine Vorgaben aus dem Abkommen von Paris verfehlt. Dennoch liegen die Prioritäten bundesweit auf dem Straßenverkehr. Das Bundesfernstraßennetz gilt mit 13.000-Autobahn- und 38.000-Bundesstraßenkilometer schon heute als eines der dichtesten in Europa.
Die Planung des Bundesverkehrsministeriums sieht bis 2030 dennoch rund 80 Neubauprojekte und mehr als 200 Ausbauprojekte allein bei Autobahnen vor. Im gleichen Zeitraum sieht der aktuelle Bundesverkehrswegeplan - die Blaupause für die Verkehrsplanung hier zu Lande - Investitionen von 270 Milliarden Euro vor. Die Hälfte der Mittel fließen in Straßen, 40 Prozent in Bahnstrecken, der Rest in Flüsse und Kanäle.
Eine rasche Reaktion fordert Baerbock am Beispiel A 49 in Hessen: "Der Weiterbau der 49 ist verkehrspolitisch, umweltpolitisch und klimapolitisch falsch." CDU, SPD und FDP hätten die Autobahn über Jahrzehnte vorangetrieben. "Und das in einer Zeit, in der sich die Erderhitzung dramatisch beschleunigt. Deshalb: Der Bund muss den Weiterbau der A49 jetzt stoppen, damit die wertvollen Bäume stehen bleiben können", sagte Baerbock.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sei der Auftraggeber. Er habe die Fäden in der Hand, die hessische Landesregierung müsse ausführen. Damit bringt Baerbock Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) in eine schwierige Lage. Er hatte das Projekt zwar nicht unterstützt, muss es aber als Koalitionspartner der CDU realisieren.
Foto: Autobahn-Baustelle, über dts Nachrichtenagentur