In Zeiten von Corona gerät Alltägliches manchmal zum Abenteuer, besonders dann, wenn keine Maske zur Hand ist. Ex-DDR-Bürgerrechtlerin und Publizistin Vera Lengsfeld über einen Kinobesuch in Berlin.
von Vera Lengsfeld
"Geh doch mal ins Kino – da verfliegt die Wut" - jedenfalls behauptete das Manfred Krug in einem DDR-Ohrwurm der 60er Jahre. Der Schlager war eine Werbung für ein DEFA-Lustspiel und machte gute Laune.
DEFA-Lustspiele gibt es schon lange nicht mehr und Lachen gehört in den heutigen Zeiten eher zu den argwöhnisch beäugten Lebensäußerungen. Die Zeiten sind schließlich ernst wie noch nie! Jedenfalls lassen sich das alle einreden, die außer Wohlleben noch nichts erlebt haben.
Ich hatte mich gefreut, dass die Kinos jetzt endlich wieder geöffnet sind und wollte mir den Film „Nomadland“ in der Berliner Kulturbrauerei anschauen. Ich war tatsächlich so naiv zu glauben, das ginge so einfach.
Die Kassen waren geschlossen und im Vorraum zu den Kinosälen musste man an einen Schalter treten und sein Begehr vortragen. Ob ich geimpft oder genesen sei, eine entsprechende Bescheinigung oder einen negativen Schnelltest vorweisen könne?
Konnte ich nicht. Aber kein Problem. Bis zum Beginn des Films war noch eine knappe halbe Stunde Zeit, ein Testzentrum gleich um die Ecke. Die jungen Männer im Testcontainer waren sehr nett und innerhalb einer Viertelstunde hatte ich das Negativergebnis, das ich zurück im Kino hoffnungsfroh der Empfangsdame präsentierte. Ich musste mich noch in einen Gästeliste eintragen – auch kein Problem. Aber dann kam es knüppeldick:
Bis zum Platz müsste ich eine Maske tragen. Ich legte eine Maskenbefreiung vor. Das war, als hätte ich mich als leprös geoutet.
Ohne Maske käme ich nicht rein. Ein jüngerer Kinogänger, der hinter mir stand, forderte mich hysterisch auf, sofort eine Maske aufzusetzen, ich würde ihn gefährden.
Mein Hinweis, dass ich einen druckfrischen Negativtest habe, also am heutigen Abend gar keine „Gefährdung“ darstelle, war so etwas wie Öl ins Feuer. Um die Situation zu beruhigen, zog ich eine OP-Maske aus der Tasche und setzte sie auf. Ob ich jetzt eine Karte bekommen dürfte?
Jetzt müsste ich erst mal warten. Worauf, wurde nicht gesagt. Inzwischen hatte sich das Foyer gefüllt und als ich endlich durchgelassen wurde, war die Warteschlange vor der Kasse so lang, dass ich auf den Besuch verzichtete, weil der Film schon 10-15 Minuten gelaufen sein würde, ehe ich in den Kinosaal gelangt wäre.
Statt mich an einem vermutlich wunderbaren Film zu freuen, wurde ich knallhart darüber belehrt, warum Corona noch ewig dauern wird.
Die Pandemie ist zu Ende, aber die Corona-Maßnahmen werden verbissen befolgt, seien sie auch noch so absurd. Mir ist jetzt auch klar, warum. Sie geben jedem das Recht, jeden herumzukommandieren und sei es nur als „betroffener Bürger“, der sich vor der mitmenschlichen Gefahr schützen will.
Corona gibt den Kleinsten Macht und sei es nur zu entscheiden, ob jemand ins Kino darf, oder nicht. Das ist die elende Macht der Mitläufer, die bisher noch jede Diktatur gestützt haben. Die Lust des deutschen Untertans war es schon immer, Befehlen zu gehorchen und sie ohne nachzudenken auszuführen. Das ist für mich das Erschreckenste an der alltäglichen Corona-Diktatur.