Inflation, Gasnotstand, Corona: Bei Politik und Sicherheitsbehörden wächst die Sorge vor Unruhen in der Bevökerung. "Extremisten träumen von einem deutschen Wutwinter", meint Brandenburgs Verfassungsschutzchef.
In Politik und Sicherheitsbehörden wächst die Sorge, dass die Inflation und der drohende Gasnotstand zu erheblichen sozialen Spannungen führen werden. "Wenn die Preissteigerungen viele Menschen hart treffen und wir zusätzlich im Herbst noch eine starke Corona-Welle erleben, dann ist das Potenzial für Mobilisierung und Radikalisierung da", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dem "Spiegel". "Dann werden Populisten und Extremisten ihre Chance wittern, ähnlich wie in der Hochphase der Corona-Proteste." Die Sicherheitsbehörden beobachteten die Lage deshalb genau, sagte Faeser. "Demokratiefeinde warten nur darauf, Krisen zu missbrauchen, um Untergangsfantasien, Angst und Verunsicherung zu verbreiten." "
Mittlerweile protestieren die sogenannten Spaziergänger vereinigt mit AfD, Reichsbürgern, offen Rechtsextremen gegen den Staat und benutzen alles, was Unfrieden verstärkt", sagte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow dem "Spiegel". "Dazu wird auch die Preisexplosion herangezogen werden." Für den Linkenpolitiker ist nun die Bundesregierung gefragt. "Es braucht wirksame und spürbare Maßnahmen, die es Einkommensschwachen ermöglichen, mit der Entwicklung noch klarzukommen", sagte Ramelow. "Die Ampel verliert gerade die soziale Balance aus den Augen, wenn die FDP so weiterbremst."
Wutwinter
Auch unter Sicherheitsbeamten steigt die Unruhe. "Extremisten träumen von einem deutschen Wutwinter", sagte Brandenburgs Verfassungsschutzchef Jörg Müller dem "Spiegel". "Sie hoffen, dass Energiekrise und Preissteigerungen die Menschen besonders hart treffen, um die Stimmung aufzugreifen und Werbung für ihre staatsfeindlichen Bestrebungen zu machen." Die Behörden verfolgten dieses Treiben aufmerksam. Klar sei aber auch, "dass die meisten Menschen, die sich um die nächste Nebenkostenabrechnung sorgen, keine Extremisten und kein Fall für den Verfassungsschutz sind". Sprachrohre der Anti-Corona-Protestbewegung vollzögen derzeit teils "nahtlos einen Themenwechsel", beobachtet der niedersächsische Verfassungsschutzchef Bernhard Witthaut. Die Inhalte erschienen fast schon beliebig, Hauptsache, sie seien geeignet, "Angst und Wut zu schüren und diese auf den Staat zu projizieren", sagte Witthaut dem "Spiegel".