Erst Verschwörungstheorie, ab Herbst Realität? Dann darf eine Impfung nicht älter als drei Monate sein, so die Pläne von Gesundheitsminister Lauterbach, derzeit selbst an Corona erkrankt nach dem 4. Schuss. Die SPD findet den Vorstoß gut. Widerstand regt sich kaum.
Die im Entwurf des neuen Infektionsschutzgesetzes vorgesehene Regelung zum Impfen stößt in Teilen der FDP-Fraktion auf scharfe Kritik und löst in der Ampelkoalition eine Debatte aus. Nach dem Kompromissentwurf von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) können Personen im Herbst und Winter die Pflicht zu Tests oder zum Maskentragen vermeiden, wenn sie eine Coronaimpfung nachweisen können, die nicht älter als drei Monate ist. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) sagte dem SPIEGEL: »Der Deutsche Bundestag darf das so nicht beschließen. Ich werde mit aller Kraft dafür streiten, dass diese Pläne, die offensichtlich aus dem Bundesgesundheitsministerium stammen, nicht umgesetzt werden.«
Und weiter: »Dass es politische Vorgaben zu Impfungen gibt, die die Empfehlung der Ständigen Impfkommission übertreffen und damit obsolet machen, halte ich für medizinethisch hochproblematisch«, so der FDP-Vizevorsitzende. Die Stiko empfiehlt bislang Menschen ab 70 sowie Risikogruppen die vierte Impfung, also eine zweite Booster-Impfung.
Kubicki fordert das Parlament nun auf, bei den anstehenden gesetzlichen Beratungen Änderungen an den bisherigen Gesetzesplänen vorzunehmen. »Wir müssen rechtsstaatliche Grundsätze anscheinend auch gegen Karl Lauterbachs Ministerium durchsetzen. Politische Einmischung in medizinisch-wissenschaftliche Fragen darf es nicht geben«, so der FDP-Politiker.
Dagegen verteidigte der SPD-Fraktionsvize im Bundestag, Dirk Wiese, die geplante Regelung. »Wir sollten die Sache nicht überdramatisieren. Die Länder können die verschärften Regeln festlegen, wenn es die Situation erfordert, müssen es aber von heute auf morgen natürlich nicht. Und selbst wenn: wir reden ja über das Tragen einer Maske an bestimmten Orten oder die Vorlage eines Tests, wenn jemand nicht frisch geimpft ist. Dies halte ich für vertretbar, wenn die Infektionslage wieder schwieriger wird«, so Wiese zum SPIEGEL.
Zugleich äußerte Wiese die Hoffnung, dass sich auch die Stiko dem geplanten Vorstoß zum Impfen anschließt. »Die Stiko ist bei ihren Vorgaben schon oft hinterhergehinkt. Wir gehen davon aus, dass die angepassten Impfstoffe guten Schutz bieten werden. Unsere Botschaft ist: Es ist sinnvoll, sich impfen und die Impfung im Herbst auffrischen zu lassen«, so der SPD-Politiker.