Die Sondierungsgespräche von Union, FDP und Grünen über eine mögliche Jamaikakoalition sind gescheitert. Das teilten kurz vor Mitternacht die Liberalen mit: "Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren." - Alles nur Show?
Die FDP hat die Sondierungsverhandlungen über eine Jamaika-Koalition platzen lassen. "Am heutigen Tag wurde keine Bewegung erreicht, sondern es wurden Rückschritte gemacht", sagte FDP-Chef Christian Lindner umgeben von den FDP-Unterhändlern vor der Landesvertretung von Baden-Württemberg in Berlin, wo die Verhandlungen am Sonntag stattgefunden hatten.
Die vier Gesprächspartner hätten keine gemeinsame Vorstellung von der Zukunft des Landes - "und auch keine Vertrauensbasis", so Lindner. "Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren", sagte der FDP-Chef.
GRÜNE hetzen gegen FDP
"Er wählt seine Art von populistischer Agitation statt staatspolitischer Verantwortung", kommentierte Grünen-Unterhändler Reinhard Bütikofer die Worte Lindners. "Sehr schade", sagte CSU-Unterhändlerin Dorothee Bär.
Die SPD hatte nach der Wahl im September erklärt, für eine Große Koalition nicht zur Verfügung zu stehen. Bleiben die Sozialdemokraten bei dieser Aussage, gibt es nun noch zwei Möglichkeiten: eine Minderheitsregierung der Union oder Neuwahlen.
Gewinner AfD?
Sollte es wirklich zu Neuwahlen kommen so dürften AfD, Linke sowie SPD die größten Gewinner sein. Laut Meinungsumfragen würden sich viele Menschen von CDU/CSU und FDP abwenden. Ein mögliches Szenario wäre, dass die AfD bis zu 15-16 % erreichen würde. Aus Angst davor könnte es jedoch sein, dass sich die Blockparteien doch noch zu einer Einigung in Richtung Jamaika zusammenfinden.
Was wird aus Merkel?
Die wichtigste Frage ist jedoch, ob sich Merkel noch mal als Kanzlerin zur Verfügung stellt. Es gibt Gerüchte, dass sie dies nicht tun würde. Insofern könnten neue Wahlen dann auch ohne Merkel stattfinden. Die Frage bleibt jedoch, wer kann sie ersetzen? Wer wird ihr Nachfolger?
Von allen Beteiligten ist jedoch bekannt, dass sie gerne weiterhin an den Futtertrögen der Macht bleiben würden. Und von den Grünen ist bekannt, dass sie gerne dorthin möchten. Insofern könnte es von dieser Seite noch einiges an Kompromissbereitschaft geben.
FDP-Chef Christian Lindner zu Jaimaika-Aus:
"Den Geist des Sondierungspapiers können und wollen wir nicht verantworten."
Wortlaut Lindner zu FDP Jamaika-Exit:
"Wir haben Stunden, Tage und Wochen miteinander gerungen. Tage länger, als wir uns vorgenommen hatten. Wir haben als Freie Demokraten zahlreiche Angebote zum Kompromiss unterbreitet: unter anderem in der Steuer-, der Europa-, der Einwanderungs- und der Bildungspolitik. Denn wir wissen, dass Politik vom Ausgleich lebt.
Mit knapp elf Prozent kann man nicht den Kurs einer ganzen Republik diktieren. Unsere Bereitschaft zum gemeinsamen Handeln zeigen wir ja übrigens auch in Regierungsbeteiligungen mit Union, SPD und Grünen in den Ländern.
Nach Wochen liegt aber heute unverändert ein Papier mit zahllosen Widersprüchen, offenen Fragen und Zielkonflikten vor. Dort, wo es Übereinkünfte gibt, sind sie oft erkauft mit viel Geld der Bürger oder mit Formelkompromissen. Wir haben gelernt, dass auch durchaus gravierende Unterschiede zwischen CDU/CSU und FDP überbrückbar gewesen wären.
Es ist da auch eine neue politische Nähe, auch menschliche Nähe gewachsen - Aber am heutigen Tag wurde keine neue, keine weitere Bewegung erreicht, sondern es wurden Rückschritte gemacht, weil auch erzielte Kompromisse noch einmal in Frage gestellt worden sind. Es hat sich gezeigt, dass die vier Gesprächspartner keine gemeinsame Vorstellung von der Modernisierung unseres Landes und vor allen Dingen keine gemeinsame Vertrauensbasis entwickeln konnten. Eine Vertrauensbasis und eine gemeinsam geteilte Idee wären aber die Voraussetzung für stabiles Regieren. Wir wissen nicht, was in den nächsten Jahren auf Deutschland in Europa und der Welt zukommt.
Aber wenn dann vier Partner schon nicht in der Lage sind, schon bei dem Absehbaren einen gemeinsamen Plan zu entwickeln nach so langer Zeit und so intensivem Ringen, ist das keine Voraussetzung, dass auch auf das Unvorhersehbare angemessen reagiert werden kann. Wir werfen ausdrücklich niemandem vor, keinem unserer drei Gesprächspartner, dass er für seine Prinzipien einsteht. Wir tun es aber auch für unsere Prinzipien, für unsere Haltung.
Unser Einsatz für die Freiheit des Einzelnen in einer dynamischen Gesellschaft, die auf ihn vertraut, die war nicht hinreichend repräsentiert in diesem Papier. Und wir haben heute, an diesem bescheidenen Tag, nicht den Eindruck gewonnen, obwohl allen die Dramatik der Situation bewusst war, dass dieser Geist grundlegend veränderbar gewesen wäre. Die Freien Demokraten sind für Trendwenden gewählt worden.
Und wer sich dieses Dokument ansieht: Es war nicht zu ambitioniert, es war nicht unrealistisch, sondern maßvoll. Wir sind für diese Trendwenden gewählt worden, aber sie waren nicht erreichbar, nicht in der Bildungspolitik, nicht bei der Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, nicht bei der Flexibilisierung unserer Gesellschaft, nicht bei der Stärkung der Marktwirtschaft - und bis zur Stunde auch nicht bei einer geordneten Einwanderungspolitik.
Den Geist des Sondierungspapiers können und wollen wir nicht verantworten. Viele der diskutierten Maßnahmen halten wir sogar für schädlich. Wir wären gezwungen, unsere Grundsätze aufzugeben und all das, wofür wir Jahre gearbeitet haben. Wir werden unsere Wählerinnen und Wähler nicht im Stich lassen, indem wir eine Politik mittragen, von der wir im Kern nicht überzeugt sind. Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren. Auf Wiedersehen."