Weil die Staaten der Ost-EU Merkels Flüchtlingspolitik und Umverteilungsphantasien nicht teilen, sollen sie nun bestraft werden. Beobachter: Das europäische Haus steht in Flammen. Droht die Abspaltung des Ostens?
Droht der EU eine Spaltung von innen? Der EU-Ratspräsident Donald Tusk hat offensichtlich ein untrügliches Gespür: Im Osten Europas braut sich etwas zusammen. Dort ist in den letzten Jahren eine Kraft entstanden, die ein anderes Europa will. Und zwar nicht das „Westliche“. Wortführer der neuen Richtung ist Ungarns Ministerpräsident. Seine Stossrichtung ist unmissverständlich: Er will die Führungsrolle in Europa Angela Merkel streitig machen!
Donald Tusk ist ein Mann der klaren Worte. Schon bevor Angela Merkel mit ihrer Grenzöffnung dem europäischen Regelwerk für Flüchtlinge den finalen Fusstritt verpasste, forderte der EU-Ratspräsident eine bessere Sicherung der europäischen Aussengrenzen.
Damit hat Tusk ausgesprochen, was in Deutschland niemand hören will/wollte. Deutliche Worte: „Der von Merkel durchgedrückte Ratsbeschluss, allen EU-Staaten Flüchtlingsquoten zu verordnen, ist ineffektiv und extrem spalterisch.“
Auch wenn man es in Deutschland, hier speziell Martin Schulz, nicht wahrhaben will: Die EU steht vor einer Spaltung! Während im Westen Demagogen gegen osteuropäische Kriminelle, Bettler und Sozialtouristen hetzten und der EU unterstellen, sie wolle mit billigen Arbeitskräften aus dem Osten im Sinne des „Neoliberalismus“ die Sozialsysteme aushebeln, machten spätestens seit der Flüchtlingskrise Demagogen in Polen und Tschechien, der Slowakei und vor allem Ungarn mit der Angst vor „kulturfremder“ Einwanderung und der Unterstellung, die EU wolle dem Osten diese Einwanderung aufzwingen, Stimmung gegen Brüssel, Berlin, Paris und die liberale Demokratie.
Für Orban ist allenfalls eine „Koexistenz“ zwischen dem Osten und dem Westen denkbar. Die EU sei gespalten. Auf der einen Seite die „Einwanderungsländer“, also jene 25 westeuropäischen Staaten, die vor 2004 Mitglieder des Klubs waren, auf der anderen jene Staaten, die „noch nicht Einwanderungsländer geworden sind, aber auch nie Einwanderungsländer werden wollen“.
Die Länder mit „Mischbevölkerungen“ stellen nach Orban „die grösste Bedrohung für die europäischen Werte“ dar. Denn sie haben „zum
Ausgleich für den (eigenen) demografischen Niedergang“ Muslime nach Europa „geholt“, die Europas traditionelle Werte nicht respektieren. „Wir wollen ein christliches Ungarn in einem christlichen Europa!“ Er meint klar: „Kommt es nicht zur Koexistenz zwischen Einwanderungsländern und Nichteinwanderungsländern, kann es zur Katastrophe kommen".
Chauvinismus, Christentum, Xenophobie (Fremdenhass) und aggressive Islamfeindschaft sind Merkmale einer überlegenen Kultur, so wird moniert. Liberalismus, Pluralismus und Säkularismus werden als dekadent verworfen.
Wie der von Orban mit wütendem Hass verfolgte Milliardär (ungarischer Abstammung!) George Soros stets behauptet, Orban wolle „Merkel die Führungsrolle in Europa streitig machen“ – und nebenbei Prinzipien unterminieren, die für Europa stehen. Man muss sich das wie einen Zangenangriff vorstellen: Russlands Präsident Wladimir Putin greift die EU (klar aus anderen Überlegungen heraus) von aussen an, Orban von innen.
Aussenstehende Beobachter sind sich einig: Das europäische Haus steht in Flammen! „Es brennt schon lichterloh“ schreibt der Osteuropa-Kenner und Journalist Alan Posener. Die liberalen Kräfte in der EU müssen der Herausforderung aus dem Osten offensiv und vor allem politisch und philosophisch begegnen, statt sie wie bisher vornehm zu beschweigen und/oder mit bürokratischen Strafmassnahmen reagieren.
Es geht nicht darum, dass die Oststaaten Flüchtlinge aufnehmen, das kann warten. Deshalb ist Tusks Kritik am Quotenplan unbedingt richtig. Es geht darum, dass auch im Osten der EU jene Werte hochgehalten werden, die den Faschismus und den Kommunismus zu Fall gebracht haben.