Ali B. und seine Familie schwärmten gegenüber Verwandten im Irak: Sie müssten nicht arbeiten, man kümmere sich um sie, und sie bekämen ein Gehalt vom Staat.
Die Klage des mutmaßlichen Mörders Ali B. gegen die Ablehnung seines Asylantrags lag fast eineinhalb Jahre unbearbeitet beim Wiesbadener Verwaltungsgericht. Ein Rechtsanwalt hat für Familie B. zwar am 9. Januar 2017 formal Klage gegen die ablehnenden Asylbescheide eingereicht, diese Klagen bis heute aber nie begründet. Das geht aus Asylunterlagen hervor, die der SPIEGEL einsehen konnte.
Der Anwalt erklärte gegenüber dem SPIEGEL, die Eltern von Ali B. seien nie gekommen, um über weitere Fluchtgründe zu sprechen und das Gericht habe ihn nie dazu aufgefordert, eine Klagebegründung einzureichen. Die zuständige Richterin am Wiesbadener Verwaltungsgericht bestätigte das und erklärte die lange Verfahrensdauer unter anderem mit Überlastung des Gerichts wegen zahlreicher Asylverfahren.
Alles für lau
Während ihres mehrjährigen Aufenthalts in Deutschland schwärmten Ali B. und seine Familie offenbar gegenüber Verwandten im Nordirak von den Bedingungen hierzulande. "Sie erzählten, dass es ihnen gut gehe in Deutschland", berichtet ein Cousin von Ali B. aus dem irakischen Kurdengebiet. Sie müssten nicht hart arbeiten, man kümmere sich um sie, und sie bekämen ein Gehalt vom Staat, sollen sie der Verwandtschaft berichtet haben.
Die Mutter und eine Schwester von Ali B. nahmen den mutmaßlichen Mörder in einem Gespräch mit dem SPIEGEL im Nordirak in Schutz. "Ali ist mein Leben", sagte seine Mutter. Die Schwester suchte die Schuld für das Verbrechen bei anderen: "Wir müssen fragen, wer hat ihm Drogen gegeben?"
Ali B. war im Oktober 2015 mit seinen Eltern und sieben Geschwistern aus dem Irak nach Deutschland gekommen. Ihre Asylanträge begründete die Familie offiziell damit, dass die Kinder in ihrer Heimat möglicherweise von Kämpfern der kurdischen PKK für bewaffnete Auseinandersetzungen rekrutiert werden könnten. Der inzwischen verhaftete Ali B. hat gestanden, im Mai dieses Jahres die 14-jährige Susanna F. aus Mainz getötet zu haben. Die Wiesbadener Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er das Mädchen zuvor vergewaltigt hatte