Feinstaub des Antimon ist der Globetrotter unter den Aerosolen. Die krebserzeugende Substanz verseucht Stadt und Land.
So ein 0,001 mm starkes Antimonteilchen tritt eine lange Reise an; es kann am Tag bis zu 500 km durch die Atmosphäre wandern, natürlich auch nachts. Sie, als Rohstofffan, sollten auch die giftige, kaum bekannte Kehrseite des Halbmetalls kennen lernen: Antimon ist im Straßenstaub heutzutage der am stärksten angereicherte Schadstoff.
Die Bremsbeläge der meisten Fahrzeuge enthalten als Gleitmittel Antimonsulfid, damit die Bremsen nicht ruckeln. Bei jedem Bremsvorgang wird der Stoff in mikroskopisch kleine Partikel abgerieben und in die Umgebung entlassen. Übrigens setzte man zuvor krebserregenden Asbest ein.
Seit Mitte der achtziger Jahre treibt man den Teufel mit Beelzebub aus. Asbest ist durch Antimonverbindungen ersetzt. Nur wenige Automobilbauer wie etwa Porsche, verwenden heute alternative Systeme aus Karbonfasern. Antimonfreie Bremsen sind aber erheblich kostspieliger. Es war ja schon immer etwas teurer, einen „gesunden Geschmack“ zu haben.
Eine 2007 veröffentlichte Studie analysierte erstmals die Antimonmenge im gesamten Schwebestaub im Straßenverkehr von Tokio. Die Ergebnisse übertreffen die „Hintergrundbelastung“ um mehr als Faktor 20.000.
Man kann sagen: In den Aerosolen der Stadtluft findet sich heutzutage mehr Antimon als jedes andere Spurenelement. Was sind aber die so genannten Hintergrundwerte von Antimon in Staubpartikeln? Dazu untersuchte man Torfproben mit einem Alter von sechstausend bis neuntausend Jahren; sie ergaben die niedrigste Sb-Konzentration.
Dann aber kam der zivilisierte Mensch: die Erdatmosphäre reicherte sich mit Antimon an. In den jüngeren Torfproben, die auf die Zeit der Römer zurückgehen, finden sich die ersten stärkeren Antimon-Konzentrationen. Die alten Römer bauten nämlich erstmals Bleierze für ihre Wasserleitungen im größeren Stil ab. Als Mitgift zum Bleierz gab es immer Antimon als mineralogisches Zubrot. Darüber hinaus konnte man an Eisbohrkernen aus der kanadischen Arktis zeigen, dass in den letzten 30 Jahren Antimon um satte 50% angereichert ist.
Großer Bedarf an Antimon besteht als Stabilisator für PVC. In jeder PET-Getränkeflasche lässt sich Antimon in der Größenordnung von einigen Milligramm je Kilogramm nachweisen. Man fand heraus, dass während der Lagerung Mineralwasser-gefüllte PET-Flaschen Antimon abgeben.
Die Konzentration der Giftabgabe kann sich um das mehrere Hundertfache erhöhen - man braucht nur etwas Geduld. Die Antimon-Konzentration des abgefüllten Wassers in PET-Flaschen steigt mit der Zeit deutlich an und erreicht bis zu 630 Nanogramm pro Liter Sb.
Ein Vergleich zwischen Glas- und PET-Flaschen zeigte, dass in PET-Flaschen der Antimon-Gehalt bis zu 30-mal höher lag. Vor dem Abfüllen enthielt dieses Wasser nur 4 ng pro Liter Sb. Daraus abgeleitet, ein Tipp für den worst case um 2010: Lagern Sie Ihre strategischen Wasserreserven in Glasballons; eingefleischte Rohstoffler wissen, was ich meine.
Was ist der Steckbrief von Sb? Das silberne Halbmetall schmilzt bei 630°C und siedet zwischen 1325°C und 1750°C - je nach Literaturquelle. Unterhalb von minus 270,45°C wird Antimon supraleitend und verliert seinen elektrischen Widerstand.
Als eines der wenigen Elemente auf Erden dehnt sich Antimon beim Erstarren von der flüssigen zur festen Phase aus. Dieses merkwürdige Phänomen der Dichteanomalie ist dem Wasser eigen, aber auch den Metallen Bismut, Gallium und Germanium.
Man nutzt dieses anormale „Aufplustern“ bei Antimon-Blei-Legierungen: Der Antimongehalt lässt sich so einstellen, dass sich das Material der gegossenen Teile beim Erstarren in allen Ecken und Kanten andrückt - ein nützlicher Drückeberger. So entstehen lunkerfreie komplizierte Formen und strukturierte Oberflächen ohne unerwünschte Hohlräume. Beispiele dafür sind das legendäre Letternmetall mit 28% Antimon, Lagermetall und Akkumulatoren-Blei sowie Bleimantel für Erdkabel.
Bisher verwendet man Sb-Legierungen auch zum Härten von Geschossen, dies unter dem Motto: nenne mir deinen Antimonverbrauch und ich sage dir, ob du einen Krieg führst. Darüber hinaus wird das Halbmetall zunehmend in der Halbleiterindustrie, bei der Produktion von Dioden und Infrarotdetektoren eingesetzt.
Man kann sagen, dass zwei Drittel der Antimonförderung in Form von Antimon-Trioxyd als Flammschutzmittel Kunststoffen zugesetzt wird. Diese finden sich in Auto-Innenauskleidungen wieder, aber auch in Computern oder in Fernsehern. Weitere Einsätze finden sich in der Keramik-, Glas- und Pigmentproduktion sowie im pharmazeutischen Bereich. In Halbleitern dient Antimon als Dotierungsbeigabe. So gibt es zahlreiche Verwendungszwecke in der Industrie, auch als Bestandteil von Sprengstoffzündern und Zündköpfen in Streichhölzern. Antimonsalz ist Bestandteil von Pestiziden, Beizen und Feuerwerksartikeln. Auch als Scheidemittel ist es gefragt, denn es fällt Silber aus Goldschmelzen aus.
Vor Jahrtausenden nutzen Chinesen und Ägypter das antimonhaltige Mineral Grauspießglanz nur kosmetisch. Sie stellten daraus schwarze Augenschminke her. Aus der Römerzeit stammen die Namen stibium (daher Sb als Elementkürzel) und antimonium.
Bis ins 16te Jh. betrachtete man Antimon als eine Abart des Bleis. Theophrastus von Hohenheim, eher bekannt als Paracelsus, erkannte Anfang des 16ten Jahrhunderts die medizinische Wirkung von Antimonpräparaten. Aufgrund der bakterientötenden Wirkung nahm er Antimonsulfid als Grundlage für Augencremes und behandelte auch Wunden und Geschwüre.
Selbst für innere Anwendungen nutzte Paracelsus Antimontinkturen. In stark verdünnter Form sollten die Präparate abführend, schweißtreibend oder als Brechmittel wirken. Die meisten Antimonverbindungen sind sehr giftig und wirken ähnlich wie Arsenverbindungen. Leber und Schilddrüse haben eine gewisse Neigung, die Giftstoffe anzureichern.
Im 18ten Jahrhundert galt Antimon als Allheilmittel gegen Beschwerden wie Kopfschmerzen, Melancholie oder Depressionen, selbst Kindern verabreichte man Antimongaben zur Leistungssteigerung. Ein frühes Doping! Das galt im erhöhten Maße erst recht für Wunderkinder.
Wissenschaftler der Universität für Bodenkultur Wien fanden im Zahnschmelz der sterblichen Überreste von Amadeus Mozart stark erhöhte Antimonwerte. Wie man weiß, genehmigte sich das Musikgenie gern Brechweinstein (Kalium-Antimonyl-Tartrat). Das Gebräu entsteht durch Reaktion von Weinsäure in einem antimonhaltigen Behältnis von selbst und verjagt angeblich jeden Kater. In Chemotherapien eingesetzt, sind Antimonpräparate erfolgversprechend gegen Leishmaniose, einer Parasitenerkrankung bei Tier und Mensch.
Es gibt einige bedeutende Antimon-Gold-Verbindungen wie Aurostibit, Auroantimonat und Anyuiit. Wen wundert’s, denn diese Mineralien entstammen häufig demselben mineralogischen Bildungssystem. Mehr als hundert Antimon-Mineralien sind bekannt. Industriell genutzt wird das Mineral Stibnit (Antimonglanz, Grauspießglanz, Antimonit), das vor allem in Bolivien, Mexiko und China vorkommt.
Wirtschaftlich interessant ist Stibnit durch seinen hohen Antimon-Gehalt von über 70%. Eine der berühmtesten Stibnit-Gruben gibt es bei der Stadt Lengshuijiang. Diese wird von Chinesen als Hauptstadt des Antimons gepriesen.
Ja, Mozart mußte früh mit 35 Jahren sterben, und vielen jungen Bewohnern geht es auch schon grottenschlecht. Überhaupt ist China Hauptexporteur für Antimon. Seit den siebziger Jahren hat sich die Antimon-Produktion weltweit verdoppelt; sie liegt heute bei rund 140.000 Tonnen. Die Nachfrage blieb in den letzten Jahren relativ konstant, dabei gibt es nur wenig Ersatz für Antimon. Es ist schwierig, den Preis für Antimon zu bekommen. Eine Angabe stammt von der Northern Miner. Danach kostete am 28. Mai 2007 eine Tonne Antimon 5.360 US-D.
Zum Abschluß sei ein Schierlingsbecher gereicht: Antimon ist mit dem Periodennachbarn Arsen verwandt und zehnmal giftiger als Blei. So wie Fliegenpilze Pfadfinder der Steinpilze sind, so deuten Antimonmineralien vielfach auf Goldvorkommen hin.
Komplimentierte das Adelsgeschlecht der Borgias im Mittelalter noch unliebsame Zeitgenossen durch Arsengaben himmelwärts, so geht das heute moderater. Der weniger prominente Giftbruder Antimon wirkt eher bescheiden schleichend. Sein Revier liegt heute in Städten an belebten Ampelkreuzungen und auf ländlichen Schießplätzen. So bekommt ein jeder Bürge seine Sb-Abreibung wohl dosiert, und die Industrie nutzt gern das Multitalent Antimon.