Nach der Unwetterkatastrophe Mitte Juli hat die Staatsanwaltschaft Koblenz in dieser Woche Ermittlungen wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen gegen den Landrat des Kreises Ahrweiler aufgenommen. Die polizeilichen Ermittlungen habe das Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz übernommen, teilte die Behörde am Freitag mit. Im Ahrtal habe es 141 Todesopfer und über 700 Verletzte gegeben.
Es hätten sich bereits "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben", dass am 14. Juli spätestens ab etwa 20:30 Uhr Gefahrenwarnungen und möglicherweise auch die Evakuierung von Bewohnern des Ahrtals, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht von der Flutwelle betroffen waren, geboten gewesen sei. "
Dies - so der Anfangsverdacht - dürfte in einer als fahrlässig vorwerfbaren Begehungsweise offenbar nicht, nicht in der gebotenen Deutlichkeit oder nur verspätet erfolgt sein", so die Staatsanwaltschaft. Der Anfangsverdacht erstrecke sich weiterhin darauf, dass ein entsprechendes Unterlassen jedenfalls für einen Teil der Todesfälle und der entstandenen Personenverletzungen mindestens mitursächlich geworden sei. Der Landrat habe nach den Regelungen des Landesbrand- und Katastrophenschutzgesetzes Rheinland-Pfalz "möglicherweise die Einsatzleitung und alleinige Entscheidungsgewalt", so die Staatsanwaltschaft.
Das Verfahren richtet sich auch gegen ein weiteres Mitglied des Krisenstabs, das nach den derzeitigen Erkenntnissen die Einsatzleitung zumindest zeitweise übernommen hatte. Im Rahmen des Verfahrens sind heute bereits Unterlagen und Daten des Krisenstabes des Landkreises Ahrweiler sowie die persönlichen Kommunikationsmittel beider Beschuldigter sichergestellt worden. Auch der Kieler Krisenexperte Frank Roselieb, der Kommunen und Verbände im Katastrophenmanagement berät, wirft dem Landrat vor, wertvolle Zeit verschenkt zu haben, in der Menschen in Sicherheit hätten gebracht werden können.
"Am Anfang lief es eigentlich gut", sagte Roselieb dem "Spiegel". Dann müsse "etwas passiert sein, das das Krisenmanagement aus der Bahn geworfen hat". Roselieb fordert, der Landrat müsse endlich erklären, "auf welcher Grundlage welche Entscheidungen in der Flutnacht getroffen wurden". Doch auch andere Akteure sind in der Kritik So hätte die rheinland-pfälzische "Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion" gegenüber dem Landkreis sogar kurzfristig "eine Anordnung treffen - und notfalls selbst einschreiten können", sagt die Mainzer Verwaltungsrechtsprofessorin Elke Gurlit.
Die Direktion stand in Kontakt mit dem Kreis, wollte dazu aber auf Nachfrage nichts Näheres mitteilen. Wie der "Spiegel" weiter berichtet, veröffentlichte das für Hochwassermeldungen zuständige Landesamt für Umwelt in Mainz am 14. Juli, dem Tag der Flut, alle 15 Minuten die aktuellen Pegelstände und mindestens alle drei Stunden Prognosen, wie die Pegel sich voraussichtlich entwickeln würden.
Bereits um 15:26 Uhr errechnete das Amt ein Maximum von 5,19 Meter, anderthalb Meter höher als das vermeintliche Jahrhunderthochwasser von 2016. Um 19:57 Uhr errechnete das System 6,81 Meter, fast das Doppelte des Hochwassers von 2016. Der gemessene Wasserstand schoss weiter nach oben, viertelstündlich gemeldet vom Amt in Mainz. Kurz vor 21 Uhr stieg die Prognose auf 6,92 Meter.
Der Krisenstab des Kreises Ahrweiler hätte das nahezu in Echtzeit verfolgen können, schreibt das Magazin. Erst kurz nach 23 Uhr, mehr als drei Stunden nachdem erstmals knapp sieben Meter vorhergesagt worden waren, habe der Krisenstab die höchste Alarmstufe ausgelöst und mit Evakuierungen begonnen, schreibt das Magazin.
Foto: Koblenz Hbf, über dts Nachrichtenagentur