Seitdem der Westen die Ukraine alimentiert, eskaliert der Konflikt im Osten wieder dramatisch. Offensichtlich wurden von den West-Milliarden Waffen gekauft. - George Friedman von der US-“Denkfabrik“ Stratfor spricht nun offen von einem Putsch in Kiew.
Von Axel Retz
Während sich Westeuropa mit der ausufernden Flüchtlingsproblematik, der „Rettung“ Griechenlands und der dreifachen Abwertung der chinesischen Währung beschäftigt, gerät die Ukraine völlig in den Hintergrund der Aufmerksamkeit. Und das, obwohl die Kämpfe im Osten des Landes zuletzt wieder geradezu dramatisch eskaliert sind. Ich hatte es Ihnen angekündigt: Sobald Kiew die neuen westlichen Milliarden in Händen hielte, würde das Land Waffen kaufen und erneut die Konfrontation suchen.
„Planlos“ geschieht hier nichts. Womit ich wie in der vergangenen Woche angekündigt, auf George Friedman zu sprechen komme, den Gründer und Leiter der US-“Denkfabrik“ Stratfor. Eines muss man dem Mann lassen: Er nimmt beileibe kein Blatt vor den Mund. In einem Interview mit der russischen Zeitung Kommersant, nachzulesen hier russia-insider.com, führte Friedman aus: „Russia calls the events at the beginning of this year a coup d‘etat organized by the United States. And it truly was the most blatant coup in history.“
Auf Deutsch:
„Russland spricht bei den Ereignissen von Anfang des Jahres [2014 - Anm. von mir] von einem von den USA organisierten Staatsstreich. Und es war wirklich der offensichtlichste Putsch der Geschichte.“
Wer sich näher mit Herrn Friedmans Arbeit beschäftigen mag, dem sei sein Buch „The next decade“ empfohlen, das leider noch nicht ins Deutsche übertragen wurde. In ihm finden sich u. a. folgende Sätze:
„The Germans and French both look down on the United States as unsophisticated. The United States should take advantage of this in the next decade by making purposeful moves along with some that seem arbitrary. Everything must be done to lead the Germans and perhaps the French to a sense that the United States is unfocused in its actions. [...] And the American strategy once again needs to be consciously deceptive. It must lull Europe into a sense that the United States is simply drawing closer to those countries that want to be drawn closer, and among those countries are Poland, the rest of the Intermarium, and the Baltics. Any indication that the United States is directly seeking to block Germany or to create a crisis with Russia will generate a counterreaction in Europe [...].“ Und. eine Seite weiter:
„This is the challenge for the American president as we enter the next decade. He must move with misdirection in order not to create concern in Moscow or Berlin that might make those governments increase the intensity of their relationship before the United States can create a structure to limit it.“
Auch das darf ich einmal übersetzen:
„Die Deutschen und die Franzosen blicken auf die Vereinigten Staaten als naiv herab. Die Vereinigten Staaten sollten sich das in der kommenden Dekade zunutze machen, indem sie zielgerichtete Schritte zusammen mit willkürlichen Schritten unternehmen. Es muss alles unternommen werden, um die Deutschen und vielleicht auch die Franzosen zu der Einschätzung zu bringen, dass die Vereinigten Staaten mit ihren Aktionen kein bestimmtes Ziel verfolgen. [...]
Und hier muss die amerikanische Strategie einmal mehr bewusst mit Täuschung vorgehen. Sie muss Europa in dem Gefühl einlullen, dass die Vereinigten Staaten nur solche Länder stärker an sich ziehen, die das auch wollen. Und zu diesen Ländern gehören Polen, die restlichen Länder des Intermariums und die baltischen Staaten. Jedes Indiz dafür, dass die Vereinigten Staaten Deutschland auf direktem Weg [von Russland - Anm. von mir] abriegeln oder einen Konflikt mit Russland herbeiführen wollen, würde in Europa eine Gegenreaktion auslösen [...].“
„Beim Eintritt in die nächste Dekade steht der amerikanische Präsident vor folgender Herausforderung: Er muss mit in die falsche Richtung weisenden Informationen arbeiten, um in Moskau und Berlin keine Bedenken zu schüren, die die Regierungen dort die Intensität ihrer Beziehungen vertiefen lassen könnten, bevor die Vereinigten Staaten eine Struktur errichtet haben, die das verhindert.“
Und jetzt die Preisfrage: Wie nennen westliche Politiker und Medien landauf landab diese Art von Politik? Richtig, Sie haben es erraten: Russische Aggression! Und darüber sind sie auch allesamt ganz schrecklich besorgt in der so genannten westlichen Wertegemeinschaft.
Sie und ich hingegen sollten besorgt sein, wenn ein Mann wie George Friedman ganz öffentlich von der Rolle der USA beim Putsch in der Ukraine spricht und in seinen Auftritten und Büchern unumwunden eine imperialistische Politik der USA und ihre Planungen für Europa skizziert, ohne dass in hierzulande auch nur ein einziger hochrangiger Politiker oder unsere Medien dazu Stellung beziehen und unseren transatlantischen Freunden die Rote Karte zeigen.
Nur zu gerne präsentiert sich Amerika als Weltpolizist, der selbstlos für Frieden, Freiheit, die Menschenrechte und Demokratie eintritt. Wer entweder ein waches Auge auf die Weltpolitik hat oder aber George Friedmans „The next decade“ gelesen hat, der kommt nicht daran vorbei, die Dinge etwas anders zu sehen.
Zu schade nur, dass die europäischen Spitzenpolitiker und die Mitarbeiter der „Qualitätsmedien“ die Weltpolitik mit nach Washington ausgerichteten Scheuklappen betrachten und so tun, als ob sie zwar George Gershwin, keinesfalls aber George Friedman kennen. Nur:
Dank der auch mich wirklich verblüffenden Offenheit eben dieses George Friedman wird sich später einmal niemand auf seine intellektuelle Unterversorgung berufen können, wenn es darum geht zu klären, was wann wie begonnen hat, wer alles davon gewusst und nichts unternommen hat, um Schaden vom eigenen Land und Volk abzuwenden und den nächsten großen Krieg zu verhindern.