Kaum jemand hatte erwartet, dass Marchionnes nächster Zug so bald folgen würde. Fiat ist damit der erste Autokonzern weltweit, der auf die Krise reagiert und dabei nicht auf staatliche Hilfen zurückgreift. Dass Fiat mit Chrysler anbändelt, damit haben die wenigsten gerechnet. Tatsächlich steckt ein hohes Synergiepotenzial in dieser Verbindung. Chrysler braucht dringend Know-how bei Kleinwagen und Umwelttechnologien, Fiat will ihre Autos in den USA verkaufen.
Allerdings birgt die Verbindung auch Risiken. Chrysler ist mit Sicherheit der schwächste der drei angeschlagenen US-Autobauer. Einige Experten bezweifeln gar, dass die Gruppe die derzeitige Krise überleben kann. Fiat begibt sich also auf Glatteis. Allerdings sind die Voraussetzungen andere als damals, als Daimler Chrysler schluckte. Fiat ist in anderen Segmenten tätig und ergänzt sich viel besser mit Chrysler. Und Fiat hat sich abgesichert, dass kein Geld anden Partner überwiesen werden muss. Marchionne hat Erfahrungen mit US-Partnern. Ihm gelang es, dass Fiat blendend dabei wegkam, als die Partnerschaft mit GM aufgelöst wurde. Für die positive Reaktion der Börse auf die jüngste Fiat-Initiative sorgte auch der Faktor Marchionne. Er hat Probleme gelöst, die als unlösbar galten. Er hat es geschafft, dass "Fiat" und "Gewinn" kein paradoxes Wortpaar mehr sind.
Sicher, eine Garantie für die Zukunft ist das nicht. Bedenkt man aber, wo Fiat vor fünf Jahren stand, dann sollte die Tatsache, dass der italienische Konzern heute dieses Geschäft mit Chrysler initiieren kann, zuversichtlich stimmen. Wenn Marchionne das gelingt,was er mit seiner Spieleröffnung bezweckt, dann wird Fiat als einer von wenigen Konzernen weltweit fortbestehen. Das wäre die konsequenteFortsetzung der Sanierung von Fiat. Auf jeden Fall ist es der Startschuss für eine weltweite Konsolidierungsrunde. Danach wird die Autowelt eine andere sein.
Börsen-Zeitung