Bruno geht auf die 70 zu und er ist mein Friseur in Buenos Aires. Sein Laden ist eine Ansammlung von Relikten des vergangenen Jahrhunderts. Eine Art Friseur - Museum. Generationen wurden hier gestutzt, beschnitten, eingeschäumt und rasiert.
Sorgsam konzentriert nimmt er die Haarschneidemaschine in Betrieb, die etwas holprig anspringt. Was wohl in seinem Kopf vorgehen mag? Was denkt dieser Mann?
Aus dem alten Radio krächzt ein Tango. Stimmungsvoller könnte diese Stätte wohl kaum beschallt werden. Es ist schon erstaunlich, wie dieser Mensch die Wirren und Wandlungen der Zeit unbeschädigt überstanden hat. Wirtschaftskrise? Welche Krise? Die ausgeleierte Haarschneidemaschine schnurrt über Höhen und Tiefen hinweg.
An diesem Morgen bin ich sein erster Kunde, deshalb gibt er sich besondere Mühe. Eine Mischung aus Freundlichkeit und Stolz umgibt diesen alten Herrn. Was draußen in der Welt passiert, interessiert ihn nicht.
Fotografieren lässt er sich offenbar gern. Als während der Aufnahmen ein Kunde in den Laden kommt, verscheucht er diesen erbost mit den Worten: ”Hey – siehst du nicht, dass ich gerade fotografiert werde?” So ist’s richtig - man steht schließlich nicht jeden Tag vor der Kamera!
Nebenan stehen Antonio und Conception hinter der Theke. Hier gibt es die besten Bocadillos in der Stadt. Die beiden betreiben ihren winzigen Laden schon seit hundert Jahren, scheint es. Mac Donalds und Supermärkte können ihnen nichts anhaben.
In der Avenida RS Pena, im Herzen von Buneos Aires, haben sie die Marktmacht. Denn an die selbst gemachten Brötchen mit Schinken, Käse, Tomate und Salatblatt kommt keiner ran. Aber eigentlich ist es die Sauce, welche diesen Happen zu kulinarischer Vollendung führt. Und die Sauce ist das Geheimnis von Conception, der Dame mit diesem seltsamen Namen. Ihre Eltern kommen aus Italien.
Sobald ich den Laden betrete, wissen sie, was zu tun ist. Ein kleines Ritual. Die Zutaten liegen schon bereit und schon ist das Boccadillo fertig. 5 Peso kostet dieses Mittagsmahl - inklusive Cola – das macht umgerechnet 1 Euro.
Sie loben mich wegen meiner Spanischkenntnisse. Mit denen ist es zwar nicht weit her, aber immerhin erzählen mir die beiden ihre Lebensgeschichte, während ich interessiert mit dem Kopf nicke und ab und zu mal “Si” sage.
Als ich zum Abschied Fotos mache, freuen sie sich sehr. Vielleicht sehen wir uns ja wieder – nach Buenos Aires werde ich auf jeden Fall zurückkehren. Die alte Stadt mit der guten Luft und den freundlichen stolzen Menschen.