Das lehrreiche Beispiel: Vor 90.Jahren wurde die Weimarer Republik gegründet.
Es ist zu lange her, als dass sich noch jemand erinnerte. Und was wir in der Schule gelernt haben von jener Weimarer Republik, das beschränkt sich zumeist auf die Hinweise zu all den institutionellen Mängeln des ersten Versuches in deutscher Demokratie, der schließlich zu Hitler und in den Abgrund führte.
Daraus haben die Väter des Grundgesetzes gelernt, heißt es dann noch. Wenn Geschichte so einfache Lehren parat hätte, dürfte uns in Zukunft die Katastrophe erspart bleiben, die das Land mit dem Zweiten Weltkrieg und dem Völkermord erleben musste. Tatsächlich aber sind die Erkenntnisse aus Weimar vielschichtiger und suchen bis heute ihren Platz im kollektiven Gedächtnis der Nation.
In manchem sind sie von erschreckender Aktualität. Die Weimarer Republik, der erste Versuch einer demokratischen Gesellschaft, scheitere nicht in erster Linie an den Fehlern der Verfassung oder der verhängnisvollen Wahl jenes Feldmarschalls Hindenburg in das damals entscheidende Amt des Reichspräsidenten.
Die Republik, die hoffnungsvoll mit den Namen der Wirkungsstätte von Goethe und Schiller verbunden wurde, hatte keine Chance, weil der Geist der Aufklärung, der mit den beiden Dichtergestalten verbunden ist, keine Mehrheiten fand. Die Demokratie war ja auch nicht erstritten worden, sie war für zu viele ungewollte Begleiterin der militärischen Niederlage von 1918.
Weimar ist ein lehrreiches Beispiel für diese Mischung aus Trotz und Übermut, mit der eine damals noch im Kindesalter steckende Nation sich nicht eingestehen wollte, dass weitere Fehler nur dann vermieden werden können, wenn aus den vorangegangenen die Lehren gezogen werden.
Dazu gehörte die einfache Wahrheit, dass am deutschen Wesen eben nicht die Welt genesen muss und will. Aber nicht nur der entmachtete Adel und das in Kaiserzeiten zum Spießer mutierte Bürgertum sahen dies nicht. Auch die radikale Linke hatte sich das Land zur einfachen Projektionsfläche ihrer Träume von der Weltrevolution zurecht gedacht.
Weimar scheiterte in diesem doppelten Angriff auf die Vernunft. Zu viele Deutsche logen sich die Wirklichkeit zurecht. Die Schuld an krisenhaften Erscheinungen sahen sie nicht im eigenen Handeln, sondern im Treiben von zu Sündenböcken gestempelten Außenseitern - ideologieübergreifend am Ende der jüdische Großkapitalist. Vor solchen Fehlern sind wir heute besser, aber noch lange nicht hinreichend geschützt.
Lausitzer Rundschau