Eine überall gut funktionierende Internet-Verbindung ist zweifellos erstrebenswert. Doch welchen Preis zahlen wir dafür?
Von Hans-Jörg Müllenmeister
Demnächst verändern an die 50.000 Satelliten im erdnahen Orbit nicht nur die Sicht auf unseren Nachthimmel. Sie beeinträchtigen die Beobachtung mit optischen Teleskopen, erzeugen erneut Weltraumschrott und erhöhen das Kollisionsrisiko im All. Jede neue Innovation bringt auch ihre Schattenseiten mit sich. Auch die sollte bedacht werden. Muss denn jede Innovation eilfertig ausgebrütet werden – wie die des Hightech-Gurus Elon Musk – ohne an die Nachfolgelasten zu denken?
Welches Unternehmen steckt hinter den „künstlichen“ Sternen?
Das bekannte Volkslied fragt: „Weißt du, wieviel Sternlein stehen an dem blauen Himmelszelt“ Doch in Zukunft könnte sich das dastisch ändern. Schon jetzt wundern sich viele Menschen, wenn plötzlich am Himmel artfremde Lichter wie eine erleuchtete Perlenkette entlang fliegen. Aber nein, es sind weder UFOs noch Sternschnuppen – es sind Satelliten, genauer gesagt: Starlink-Satelliten von Elon Musk.
Unternehmen SpaceX
Hinter diesen „künstlichen Sternen“ steckt das Unternehmen SpaceX, dass mit einer beeindruckenden Dringlichkeit und dem kühnen Ziel agiert, die menschliche Präsenz im gesamten Sonnensystem auszudehnen. Ein weiteres ehrgeiziges Ziel ist es, globales mobiles Breitband bereitzustellen. Dies geschieht durch das Satelliten-Netzwerk Starlink, das speziell für Nutzer entwickelt wurde, die ohne Satellit keinen Internetzugang haben.
Allerdings hat dieser Service einen hohen hohen Preis. In Deutschland kostet der Zugang zu Starlink etwa 45 Euro pro Monat plus Hardwarekosten von 500 Euro. Trotz der hohen Kosten ist die Nachfrage groß, da es für viele Menschen in abgelegenen Gebieten die einzige Möglichkeit ist, eine stabile Internetverbindung zu erhalten.
Elon Musk selbst hält einen geschätzten Mehrheitsanteil von 54% an SpaceX. Mit einer Bewertung von rund 210 Milliarden US-Dollar ist SpaceX das zweitwertvollste Startup der Welt. Starlink, betrieben von der hundertprozentigen Tochtergesellschaft Starlink Services, LLC, deckt über 100 Länder und Territorien ab und bietet so weltweit Internetzugang.
Mit 6697 Starlink-Satelliten im Erdorbit (Stand Juli 2024) ist SpaceX der mit Abstand größte Satellitenbetreiber weltweit. Insgesamt bestehen Genehmigungen für den Start von maximal 19.427 Satelliten sowie Anträge von SpaceX für nochmals bis zu 22.488 Satelliten. Was für ein Getümmel gäbe es da am Himmel!
Und so funktioniert Starlink
Herkömmliche geostationäre Satelliten-Internetdienste umkreisen die Erde parallel zum Äquator in einer Höhe von etwa 35.800 Kilometern. In dieser Höhe sind Umlaufgeschwindigkeit des Satelliten und Rotationsgeschwindigkeit der Erde identisch, so dass der Satellit für einen Beobachter auf der Erde ortsfest, also geostationär, erscheint. In dieser Höhe brauchen die Satelliten genau 24 Stunden (86400 s), um die Erde einmal zu umrunden. Das ist auch die Zeit, die unsere Erde benötigt, um sich einmal um ihre eigene Achse zu drehen.
Dies führt zu sehr hohen Signallaufzeiten (auch Latenzzeit genannt) für den Hin- und Rückweg zwischen den Anwendern und Satellit. Das macht die Unterstützung von Streaming (strömende Medien), Online-Gaming (Video-Spielen), Videoanrufen oder anderen Aktivitäten mit hohen Datenraten nahezu unmöglich.
Starlink dagegen, eine Konstellation von Tausenden von Satelliten, umrunden die Erde in einer Höhe von etwa 550 km und sie decken nachrichtentechnisch den gesamten Globus ab. Da sich die Starlink-Satelliten mit jeweils 206 kg Gewicht in einer niedrigen Umlaufbahn von etwa 500 km befinden, ist die Signallaufzeit deutlich geringer – etwa 25 ms gegenüber mindestens 600 ms plus x. In nur knapp 90 Minuten umrunden sie den Globus mit einer Geschwindigkeit von 30.000 km pro Stunde.
Starlink ist die weltweit erste und größte Satellitenkonstellation, die eine so niedrige Erdumlaufbahn nutzt, um Breitband-Internet zu liefern, das Streaming, Online-Gaming, Videoanrufe und mehr ermöglicht. Die Satelliten versperren dabei die freie Sicht auf unsere Sterne. Unsere ehrwürdige Sternen-Konstellation wird von ihnen überstrahlt, denn schon bald sollen bis zu 42.000 dieser „Licht-Schmutzfinke“ unseren Globus umkreisen. Spätestens dann wären eine astronomische Forschung wegen der Lichtreflexionen ihrer Satelliten-Solarzellen nicht mehr möglich.
Satellitenkonstellation, hohe Internet-Geschwindigkeit
Starlink besteht aus Tausenden von kleinen Satelliten, die in niedriger Erdumlaufbahn operieren. Diese Satelliten arbeiten zusammen, und bilden ein globales Netzwerk.
Die hohe Internet-Geschwindigkeit von Starlink kann bis zu 150 Mbps erreichen. Das sind 150 Megabyte pro Sekunden: eine Einheit für den Transfer von Daten zu einem Storage-Gerät. Gemeint sind Speichergeräte für digitaler Daten, wie USB-Stick’s, Speicherkarten, CDs, DVDs, externe Festplatten und Magnetbänder. Der Clou sind vor allem die kurzen Laufzeiten von nur etwa 20 bis 40 ms.
Trotz aller Vorteile, die Starlink bringt – es entsteht Weltraummüll
Das Entsorgen der Satelliten am Ende ihrer Lebensdauer stellt eine Herausforderung dar, da sie regelmäßig als Weltraummüll enden und das Risiko von Kollisionen im All erhöhen. Durch den niedrige Satelliten-Orbit müssen sie sich schnell bewegen und regelmäßig ersetzt werden. Das erfordert eine kontinuierliche Produktion und den Start neuer Satelliten. Aber mit der zunehmenden Satelliten-Anzahl im Weltraum steigt das Risiko von Kollisionen und Interferenzen mit anderen Satelliten und Weltraummüll. SpaceX muss Maßnahmen ergreifen, um diese Risiken zu minimieren. Das Unternehmen arbeitet daran, die Satelliten weniger reflektierend zu machen, um die Lichtverschmutzung zu minimieren.
Bereits jetzt vagabundieren geschätzt über 128 Millionen kleine Schrott-Teile, die zwischen einem Millimeter und einem Zentimeter groß sind, um die Erde. 900.000 Schrott-Teile sind zwischen einem und zehn Zentimeter groß und 34.000 Teile sind über zehn Zentimeter groß.
Und was ist mit unserer Atmosphäre und Ozonschicht?
Natürlich lässt sich ein funktionsunfähiger Satellit durch Abstürzen auf die Erde aus dem Weg räumen – gezielt oder es passiert irgendwann von alleine. Die Reibungshitze beim Wiedereintritt in die Atmosphäre lässt den Satelliten „verdampfen“, hauptsächlich das Satellitenmaterial aus Aluminium; es zerfällt es in seine Atome. Diese Aluminiumatome können dann mit anderen in der Atmosphäre vorhandenen Gasen reagieren. Eine mögliche Reaktion ist die Bildung von Aluminiumoxid, dessen Auswirkungen auf die obere Atmosphäre/Ozonschicht ist noch ungeklärt.
Wie wirkt sich ein Sonnensturm auf Satelliten aus?
Ein Sonnensturm sind geladene Partikel von der Sonne, die in Richtung Erde strömen. Im Februar 2022 wurden beispielsweise 38 neu gestartete Starlink-Satelliten durch so einen Sonnensturm beschädigt und konnten so ihre Soll-Position nicht erreichen. Innerhalb von zwei Wochen stürzten alle zur Erde zurück.
Noch bevor die Schockwellenfront die Erde erreicht, können Sonnenstürme bereits Schäden an Satelliten verursachen. Dies geschieht nicht nur durch Induktionsströme, sondern auch durch lokales Aufheizen und draus resultierende Verformung der oberen Erdatmosphäre. Dies führt zu einem erhöhten Luftwiderstand für Satelliten in niedrigen Orbits, was Bahnänderungen oder erhöhter Treibstoffverbrauch zur Folge hat.
Störung des Nachthimmels und der Astronomie
SpaceX stattete bisher mehr als 4500 Starlink-Satelliten mit Abdunklungsschirmen aus. Da diese die Laserverbindungen zwischen neueren Starlink-Satelliten stören, wurden sie durch sogenannte dialektische Spiegeln ersetzt; diese haben ein winkelabhängiges hohes Reflexionsvermögen.
Latente Gefahrenquelle im All
In Anbetracht des rasant wachsenden Weltraummülls wäre es aus Sicherheitsgründen ratsam, von einem Raketenstart zum Mars abzusehen. Das ambitionierte Lieblingsprojekt des geschätzten Mr. Elon Musk, sein erster Raketenstart zum Mars, könnte mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits vor dem Eintritt in den Weltraum scheitern.
Man bedenke: In der niedrigen Erdumlaufbahn bewegen sich Trümmerteilchen der Starlink-Satelliten typischerweise mit einer Geschwindigkeit von 7 bis 8 km/s. Die kinetische Energie eines Weltraum-Schrottteilchens ist wesentlich höher als die spezifische Zerstörungskraft einer gleich schweren Gewehrkugel. Die Munition ist aber aufgrund ihrer Konstruktion und Masse zielgerichtet auf maximale Zerstörungskraft getrimmt.
Die kinetische Energie eines Trümmerteilchens mit der Geschwindigkeit von typischen 8 km/s in der niedrigen Erdumlaufbahn und mit der Masse einer Gewehrkugel, beträgt nach der Formel (E = 1/2 m v hoch 2) etwa 288 Joule. Das ist immerhin nominal 1,85-mal höher als der IQ des Vaters aller Mars-strebenden Gedanken.
Bedenklich wäre dieses worst-case-Szenario
Käme es im All zu einer katastrophalen Kettenreaktion der Trümmerteilchen, würde keine Rakete mehr unbeschadet durch das Trümmerfeld kommen. Doch das wäre nicht einmal das Schlimmste: Es käme zum Verlust aller Satelliten, die unser Leben beeinflussen. Kein GPS mehr – Schiffe und Flugzeuge würden zeitweise stillgelegt, die Telefonie wäre eingeschränkte, und der Güterverkehr käme zum Erliegen.
Ein Balanceakt zwischen Hightech und Verantwortung für das Leben
Es ist entscheidend, dass wir die richtige Balance zwischen technologischem Fortschritt und dem Schutz unseres Himmels finden. Innovationen wie Starlink haben das Potenzial, unser Leben erheblich zu verbessern, doch wir müssen auch die Verantwortung tragen, die damit einhergeht. Nur so können wir sicherstellen, dass der Sternenhimmel auch für zukünftige Generationen ein Ort des Staunens und der Inspiration bleibt.
Unser Nachthimmel, einst Symbol der Unendlichkeit, sollte nicht durch tausende Störobjekte durchzogen sein. Noch schlimmer: Die latente Gefahr von Trümmerstücken im Orbit könnte die zukünftige Weltraumfahrt zu einem Alptraum machen, ja sogar unmöglich. Der Traum vom Marsbesuch, bei dem Starlink nur der finanzielle „Steigbügelhalter“ der ersten Marsmission ist, könnte dann ausgeträumt sein. Dieser Steigbügelhalter könnte sich als Bumerang erweisen.
Poetisch meinen wir: Lasst wieder Sterne durch das Meer der Nacht gleiten, so wie wir durch das Leben.
Und wie schon unser erster Bundeskanzler Konrad Adenauer sagte: „Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont.“ Diese Worte erinnern uns daran, dass wir mit Weitsicht und Verantwortung handeln müssen, um unseren Himmel zu bewahren.