Der italienische Pianist Maurizio Pollini, 67, spricht in der ZEIT über die politi-
sche Situation in Italien: „Die Deutschen, aber auch so mancher Italiener, können
nicht begreifen, wie die Politik in unserem Land so weit herunterkommen konnte.
Ein Land mit so großartigen Reichtümern, mit einer so außerordentlichen
Menschlichkeit – aber eben leider auch ein Land, das unfähig ist, Politiker her-
vorzubringen, die es wert sind, als solche bezeichnet zu werden. Es ist sehr trau-
rig, unser Land so sehen zu müssen. Und es ist auch nicht zu erkennen, wie sich
das je bessern könnte.“ Pollini weiter: „Ehrlich gesagt, ich bin froh, viel auf Reisen
zu sein, denn die Lage in Italien ist deprimierend.“
„Die aktuelle Regierung“, sagte Pollini, „ist sehr populär, und es ist nicht zu ver-
stehen, warum die Bürger Politiker wählen, die in keiner Weise vertrauenswürdig
sind. Weder aufgrund ihrer Moral, die unerlässlich für jeden Staatsmann ist, noch
wegen ihrer Führungsqualitäten oder Professionalität. Das Regieren eines Staa-
tes ist doch etwas anderes als das Managen einer Firma.“ Es mangele vor allem
an positiven Impulsen, „die ein Gemeinwesen zusammenhalten könnten. Verhal-
tensweisen, die in allen europäischen Ländern als selbstverständlich angesehen
werden“.
Das intellektuelle Italien äußere sich nur wenig. „Hoffentlich ändert sich das,
wenn die Lage sich wieder bessert“, sagte Pollini der ZEIT. Aber er sei froh,
dass Italien an Europa gebunden sei, „das ist im Moment unsere Garantie“. Pol-
lini: „Die herrschende Situation steht in abgrundtiefem Kontrast zu den Fähig-
keiten der Leute, die so außerordentlich groß und vielfältig sind.“