Bei deutschen Außenpolitikern stößt der Kuschelkurs der neuen amerikanischen
Außenministerin Hillary Clinton mit China auf Kritik. Clinton hatte bei ihrer Asienreise
verkündet, das Verhältnis zu Peking dürfe durch Streitfragen wie Tibet, Taiwan und
die Achtung der Menschenrechte „nicht beeinträchtigt“ werden. Stattdessen warb
sie um chinesische Kredite für den hochverschuldeten amerikanischen Staat.
„Sehr bedenklich“ nennt Günter Nooke (CDU), Menschenrechtsbeauftragter der Bun-
desregierung, Clintons Aussagen: „Wir sollten unseren Enthusiasmus über die
neue amerikanische Außenpolitik dämpfen.“ Der CDU-Außenpolitiker Eckart von Klae-
den wertet die Worte der Außenministerin als Beleg dafür, dass Amerikas jahre-
langes „Leben über die Verhältnisse die außenpolitische Handlungsfähigkeit ein-
schränkt“. Die ungewohnte USA-Kritik der Union rührt daher, dass Clintons neue
Sicht auf China als Partner die Christdemokraten in eine schwierige Lage bringt, hat-
ten sie doch bisher die Linie vertreten, das Land sei ein Systemkonkurrent. Ein kon-
frontativer Umgang mit China war erlaubt: Kanzlerin Angela Merkel empfing im Sep-
tember 2007 den Dalai Lama – und verärgerte damit Außenminister Frank-Walter
Steinmeier (SPD), der einen freundlicheren Kurs gegenüber dem Riesenreich be-
fürwortet. Entsprechend gemäßigt fällt heute die Clinton-Kritik der SPD aus: Außen-
politiker Niels Annen lobt, dass die Außenministerin die bisherige, aggressivere Chi-
na-Politik korrigiere. „Aber dabei schießt sie übers Ziel hinaus.“ Auch Grünen-Frak-
tionsvize Jürgen Trittin attestiert Clinton nur eine „bedauerliche Fehleinschätzung“:
„Das Wie des Ansprechens dieser Probleme sollte die Frage für Clinton sein, nicht
das Ob.“ DER SPIEGEL 10/2009