Die Nachkriegsdeutschen erleben zum zweiten Mal dieMagie einer Währung. Die 1948 eingeführte D-Mark hatte aus demwestlichen Teil des Landes eine Wiederaufbau-Genossenschaft gemacht unddanach einen vielbestaunten Exportweltmeister.
Nachdem sich dank der D-Mark Arbeit wieder lohnte,produzierte die industriestarke Bundesrepublik Jahr für Jahr mehr alssie selber brauchen und konsumieren konnte. Von vier in Wolfsburgproduzierten Volkswagen konnte nur einer im Inland verkauft werden,drei mußten exportiert werden.
Den anderen Autobauern, Maschinenherstellern,Pharmaproduzenten und Anbietern moderner Haushalts- und Elektrogeräteging es ähnlich. Westdeutschland mußte exportieren, weil seinBinnenmarkt nach Abspaltung der DDR für Produktivität, Fleiß undInnovationskraft seiner arbeitenden Bevölkerung zu eng und nur bedingtaufnahmefähig war. Die Gewerkschaften begriffen nicht, welche Chancenihnen die überdimensionierten Exportüberschüsse boten.
Fatale Einstellung der Politikerkaste
Statt die Löhne eng an die ins Kraut schießendenUnternehmergewinne und Managergehälter anzukoppeln und den Binnenmarktauszuweiten, hielten sie „Disziplin“ und sorgten für exportgerechteLohnstückkosten. Sie tun es noch heute und tragen daher Mitschuld ander „Exportlastigkeit“ der Volkswirtschaft, der von ihnenangeprangerten „Gier“ der Wirtschaftselite und daran, daß sich dasanschwellende Volksvermögen immer ungleicher auf Vermögende und normaleArbeitnehmer verteilt.
Aber noch fataler war die Kollektiveinstellung derdeutschen Politikerkaste nach dem Glücksfall der Wiedervereinigung vorknapp 20 Jahren. Statt aus der ausgepowerten DDR ein zweitesWestdeutschland zu machen, wofür die Beibehaltung der D-Markunerläßlich gewesen wäre (dafür war ja „drüben“ das Volk auf die Straßegegangen!), beschlossen ein „Weltökonom“ (Helmut Schmidt), ein „EnkelAdenauers“ (Helmut Kohl) und beider ewiger Außenminister (Hans-DietrichGenscher), in überparteilichem Konsens die D-Mark als Lokomotive fürdie Fahrt in ein vereintes Europa in Zahlung zu geben.
Deutschlands Nachbarn und „Freunde“ begriffen aufAnhieb, was ihnen das D-Mark-Opfer einbrachte: Deutschland würde alsBankier Europas mit seinen laufend im Export verdienten Euro undUS-Dollar die Defizite seiner Währungspartner finanzieren. Dafür, daßsie über ihre Verhältnisse leben, hatte es ihnen einen Blankoscheckausgestellt. Aber auch die deutsche Exportwirtschaft (samt ihrerHausbanken) witterte das Geschäft.
Über das System europäischer Zentralbanken (EZBS)erhielten die ehemaligen Schwachwährungsländer eine Währungsgarantie,die sie kreditwürdig machte und jene Mittel verschaffte, die sie zumAnkauf deutscher Waren benötigten. Wie schon zu D-Mark-Zeiten zogenPolitik, Exportlobby und Hochfinanz an einem Strang – unter aktivemStillhalten der Gewerkschaften. Und tun es noch immer! Was daran stört?Lediglich der Umstand, daß jetzt beide Seiten der Währungspartnerschaftpleite sind oder dicht davor stehen.
Die große Mehrheit der Euro-Staaten hat sich mitHilfe ihres deutschen Bankiers bis zur Halskrause dem Ausland (undnicht allein Deutschland) gegenüber verschuldet. Die ausländischenGeldgeber wollen nun ihr Geld zurück, denn sie glauben weder an dieEins-zu-Eins-Einlösbarkeit des schwachen Euro in den starken deutschenEuro noch an einen verlustfreien Eurotausch in den wieder erstarkendenDollar. Nach zehn Jahren geräuschloser Euro-Finanzierung steht dieStaatenwelt von Irland über Portugal, Spanien, Italien und Griechenlandvor islandähnlichen Verhältnissen. Ihr droht eine Kombination aus Bank-und Staatsbankrott.
Und die Bankiersländer – neben Deutschland dieNiederlande und Österreich – gleichen Wirten, die zuviel Freibierausgeschenkt haben und nun selber vor der Pleite stehen. Sie müssen umdie Werthaltigkeit ihrer Außenstände, Anlagen und Kredite zittern. EineWährungsunion der Bankrotteure – wie soll das funktionieren? Dennochklammern sich die Verantwortlichen mit dem Mut der Verzweifelten oderUnbelehrbaren, an das Absurditätsprinzip des „Was nicht sein darf – dasnicht sein kann“.
Offen ist, wer die Währungsunion als erster verläßt
Doch jeder Euro, der jetzt noch in die zerbrechendeWährungsunion investiert wird (etwa über „gemeinsame“ Euro-Anleihen),ist ein verlorener. Offen ist nur, wer sie als erster verläßt:Schuldnerländer, die sich ihren Verpflichtungen entziehen wollen oderein Gläubigerland, dem das Geld zur Subventionierung der anderenausgeht oder zu schade ist. Warum nicht Deutschland?
Das Aus für den Euro führt weder zum Untergang desAbendlandes noch Deutschland in die Sackgasse wegbrechenderExportmärkte. Diese könnten im Binnenmarkt oder anderswo ersetztwerden.
Deutschland würde Europa den Ausweg aus der Krise zeigen, wennes den Anstoß dazu gäbe, den vom tschechischen Staatspräsidenten VáclavKlaus angeprangerten „Währungssozialismus“ zu beenden und die in denEuro-Staaten überfälligen Strukturreformen einzuleiten. Letztere könnennur in nationaler Verantwortung und auf demokratischer Grundlagevorgenommen werden. Nur somit läßt sich eine an den Bedürfnissen desVolkes orientierte Wirtschafts-, Sozial- und Währungspolitik betreiben.