Der Hamburger Sozialforscher Berthold Vogel sieht für Deutschland ein Jahr
der Verteilungskämpfe voraus. „Im Gegensatz zu den öffentlichen Beschwörun-
gen von mehr Solidarität, die man jetzt überall hört, wachsen ja in Wirklichkeit
schon die Wohlstandsressentiments", sagte er in der ZEIT. „Die öffentliche De-
batte um Opel passt hier aktuell sehr gut - um Solidarität geht es dabei am al-
lerwenigsten.“
Vogel glaubt, dass sich in diesem Krisen- und Wahljahr vor allem die Interessen
von Wohlstandsverteidigern in den Mittelschichten durchsetzen könnten, auf
Kosten von stärker gefährdeten Gruppen. Dies bleibe kein vorübergehendes
Phänomen. „Dieser Wandel betrifft einen Gutteil der Arbeitsplätze, die bisher
auch einen festen Ort in einem stabilen sozialen System bedeutet haben.“
„Im langen Aufschwung entstanden überall in Europa Aufsteigergesellschaften“,
sagte der Sozialforscher. „Die haben diese Mentalität permanenter Unruhe.
Nach dem Motto: Ich muss ständig an mir arbeiten, um nach vorne zu kom-
men!“ 2009 stelle sich hingegen eine ganz andere Frage: „Was geschieht, wenn
sich die Aufsteigergesellschaft in eine Absteigergesellschaft verwandelt?“
Berthold Vogel forscht am Hamburger Institut für Sozialforschung und lehrt unter anderem an
der Universität St. Gallen. Zum Jahresbeginn ist sein Buch „Wohlstandskonflikte“ erschienen